Weg-Wort vom 19. Oktober 2007
Gegenseitige Ermutigung
Sie hatten genug von dem ewigen Geklön über die Schlechtigkeit der Welt, von
dem Gerede, was alles nicht funktioniert, was verkehrt läuft, was andere
stets falsch machen, wer sich wieder einmal unmöglich verhalten hat. Sie
spürten, dass ihnen diese Gespräche eigentlich nicht gut taten. Sie fühlten
sich hinterher zumeist unwohl und deprimiert. Diese Art Gespräche schlug
ihnen aufs Gemüt.
Dabei hatten sie sich regelmässig getroffen, um sich gemeinsam Gedanken zu
machen über sich und die Welt, um sich und andere besser zu verstehen. Sie
beschlossen daher, in Zukunft mehr von dem zu reden, was ihnen gut tat, was
sie gegenseitig ermutigte. Aber das war gar nicht so einfach. Das Negative,
das Nichtfunktionierende im Blick zu haben, geschah fast automatisch. Diese
Gewohnheit war stärker, als sie dachten.
Sie setzten ihr deshalb eine neue Gewohnheit gegenüber: Zu Beginn jeder
Gesprächsrunde überlegte sich jede Person jeweils, welche drei Gegebenheiten
ihr gut getan, sie aufgestellt und ermutigt hatten seit dem letzten Treffen.
So berichteten sie reihum, warum ihnen zum Beispiel ein Erlebnis in der
Familie gut getan, ein Bericht in der Zeitung, im Radio oder Fernsehen Mut
gemacht oder eine Erfahrung mit einem unbekannten Menschen sie überrascht
und zum Nachdenken gebracht hatte.
Schon bald stellte sich eine neue Dynamik in der Gruppe ein. Sie hatten nun
zuerst das Positive, das Ermutigende in ihrem Blick. Das veränderte sie,
machte sie offener gegenüber anderen Meinungen und Menschen und
aufgeschlossener für neue, ganz andere Möglichkeiten in ihrem Denken und
Handeln. Auch das Negative hatte weiterhin Platz in ihren Gesprächen.
Allerdings mit einer ganz anderen Ausrichtung als bisher mit der Frage
nämlich: Was kann ich, was können wir daraus lernen?
Von da an mochten sie diese Treffen nicht mehr missen. Sie waren ihnen eine
Freude und gegenseitige Ermutigung zugleich.
Nach den Worten Jesu macht uns nicht das unrein, was wir von aussen in uns
aufnehmen, sondern das, was aus uns herauskommt, aus unseren Herzen (Mk
7,14ff). Nicht was wir hören und sehen, vergiftet unsere Herzen, sondern was
wir daraus in unserem Inneren machen, wie wir denken, reden und handeln.
Warum also nicht zum Beispiel der Partnerin/dem Partner jeden Abend oder
Morgen als erstes von einer Sache berichten, die uns gut getan und
aufgestellt hat?
Vielleicht werden wir diese gegenseitige Ermutigung bald nicht mehr missen
wollen!
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Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
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