Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 27. Juli 2016
Vorwärts schauen
Wer ist schuld? So fragen wir immer dann, wenn ein grösseres oder kleineres Unglück
passiert. Wer trägt die Verantwortung? Warum konnte das so passieren? Das wollen die
Betroffenen wissen, die Medien und natürlich auch die Versicherungen.
So kann man fragen, auch wenn einen das Leid gar nicht direkt betrifft. Wer ist schuld an
diesem Geschehen, wer trägt die Verantwortung? So fragen in einer kurzen Erzählung auch
die Jünger Jesu: Wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern? Sie sehen, dass ihr Meister
bei einem Blinden stehen bleibt. Sonst wären auch sie vorübergegangen und hätten sich über
den Bettler, der zum gewohnten Strassenbild gehörte, keine weiteren Gedanken gemacht.
Aber Jesus läuft nicht einfach vorbei. Er bleibt stehen und sieht hin, und so sehen die
Jünger auch hin. Wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern? fragen sie angesichts des
offenkundigen Leides dieses Kranken: Von Geburt an blind, auf's Betteln angewiesen,
und natürlich auf Zuwendung. Wer ist schuld? Hat er selbst Schuld an seiner Krankheit?
Oder ist es das Versagen anderer, das er nun auszubaden hat? Eine lange
Familiengeschichte? Ein Verhängnis? Gar eine Strafe Gottes?
Was steht da im Hintergrund? So fragen auch wir – vielleicht nicht bei einem von Geburt an
Blinden, aber doch bei Menschen, die an allerlei Krankheiten leiden, physischen und
psychischen? War es der suchtkranke Vater oder die überforderte Mutter? Eine schwierige
Kindheit, beruflicher Stress oder zerbrochene Beziehungen? Was ist die Ursache? Wer trägt
die Verantwortung? Dieser selbst, oder die Umstände, die Gesellschaft?
Nur: So zu fragen, lindert zumeist das Leid der Leidenden nicht. Es nimmt vielmehr das
Leid als unabänderliches Geschick hin und wendet sich der Vergangenheit zu. Der Blick geht
nach rückwärts, nicht nach vorn. Das befriedigt vielleicht die Neugierde. Aber dass das
Leid gelindert oder auch künftiges Leiden vermieden werden könnte, dazu tragen solche
Fragen nichts bei.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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