Weg-Wort vom 26. Juli 2013
Das erste Trauerjahr ist vorbei
Vor einem Jahr und zwei Tagen ist meine Frau verstorben. Das erste Trauerjahr ist vorbei.
Ich bin dankbar, dass ein guter Freund mich in der grössten Trauer daran erinnert hat,
dass wir Menschen nicht umsonst vom Trauerjahr sprechen. Eines ist es sicher immer,
manchmal viel mehr.
Wo stehe ich? Was hat mir geholfen?
Geholfen haben mir die vielen Freunde, die sich für mich die Zeit genommen und mir
zugehört haben, auch dann noch, wenn ich zum xten Male vom Sterben meiner Frau erzählt
habe. Geholfen haben mir auch die ganz normalen Einladungen zu den ganz normalen und
üblichen Dingen des gemeinsamen Alltages. Geholfen hat mir die Zeit, die ich ganz bewusst
allein zu Hause verbracht habe, wo ich meine Gefühle und Gedanken, manchmal mit viel
Tränen, sortiert, wo ich aufgeräumt, aufbewahrt und viel fortgeworfen habe. Geholfen haben
mir die amtlichen Sachen, die ich beibringen und leisten musste, auch wenn mir vieles
davon schräg oder eigenartig vorkam. Geholfen haben mir die Gänge auf den Friedhof, wenn
ich dazu das Bedürfnis verspürte. Geholfen haben mir Fernsehabende mit romantischen
Filmen, die meine Frau und ich gerne zusammen sahen und immer in ihrer Voraussehbarkeit
lustvoll kommentierten. Da hatte ich schnell das Gefühl, dass sie ja immer noch ganz nahe
bei mir ist. Geholfen haben mir die vielen Briefe von Menschen, die meine Frau besser
gekannt haben als mich. Ich bin dankbar, dass sie mir aus ihrer Sicht - ganz neu und ganz
anders - von ihr berichtet haben.
So konnte ich immer drei Schritte vorwärts und nur zwei zurückgehen. Also geht es in
meinem Leben weiter. Ein Jahr Trauer reicht nicht. Es braucht mehr Zeit. Aber es tut bei
weitem nicht mehr so weh. Vielmehr wird es jetzt spannend. Wohin werden mich meine neuen
Schritte führen? Der Blick geht eindeutig wieder nach vorn. Und interessanterweise sehe
ich vorn auch meine Frau und mit ihr - im Glauben - auch Gott, die beide - nach wie vor -
von mir etwas erwarten - zuversichtlich und voller Freude.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
© Ökumenische Bahnhofkirche im Hauptbahnhof Zürich
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