Weg-Wort vom 9. August 2007
Das Herz allein kennt die eigene Bitterkeit und seine Freude kann kein
anderer teilen.(Sprüche 14.10)
Es ist schon sehr traurig, den lieben Lebensgefährten zu verlieren,
wiederholte eine Da-me im Gespräch. Das Alleinsein sei schwer. In den Worten
schwingt auch die Klage mit, warum ist das geschehen?Dann aber, als wir Gott
in das Gespräch ein-beziehen, trat die Verwandlung ein. Da wich plötzlich
alle Bedrücktheit aus meinem Gegenüber.
Sie wisse schon, das Gott mit ihr sei, sagte sie. Seit sie eine intensive
Beziehung zu ihm pflege, sei er immer in ihrer Nähe. Sie bete viel. Sie
danke seit langer Zeit für alles was ihr zufalle und was sie freue. Das gebe
ihr Kraft. Er mute ihr nicht mehr zu, als sie zu tragen vermöge, stellte sie
dankbar fest. Eigentlich sei es so, dass man den ganzen Tag lang beten
könne. Wir erinnern uns zusammen daran, dass dies Paulus im Brief an die
Thessaloniker meinte, als er sagte: Bete ohne Unterlass.
Im Gespräch wurden wir zu spirituellen Gefährtinnen. Es machte grosse
Freude, über seine Einsichten zu sprechen, sich mitzuteilen. Das Gespräch
kam in Schwung. Es wurde zu einem Geschenk für beide. Wir teilten uns mit,
über das, was wir als Glauben erfahren. Es tat gut, einander anzuvertrauen,
was uns bewegt. Zu sagen, worüber wir nachsinnen, woher wir unsere Kraft
beziehen dürfen. Zu wissen, jemand hört mir zu und findet alles genau so
spannend wie ich.
Vor meinen Augen veränderte sich meine Besucherin. Anfänglich hatte sie nach
passenden Worten gerungen. Als wir dann über ihr Herzensthema sprechen
konnte, kam ihre Rede in Fluss. Von ihr kamen Schilderungen, die denen der
grossen Mystiker nicht nachstanden. Auch äusserlich fand eine eindrucksvolle
Wandlung statt. Aufrecht und strahlend sass sie da. Aus dem Häufchen Trauer
und Elend war Freude und Zuversicht geworden.
Bitterkeit und Freude beides tragen wir im Herzen. Meist sind wir damit ganz
al-lein. Manchmal schenkt uns Gott Gefährtinnen und Gefährten für ein Stück
des Weges. Die Einsamkeit hat ein Ende. Dessen bin ich mir gewiss, wir
können die Freuden unseres Herzens teilen, wenn wir offene Ohren finden.
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Hauptbahnhof Zürich
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