Weg-Wort vom 15. April 2009
Werden
Ein Mann fand am Fusse einer Felswand ein grosses Vogelei. Er hob es auf und
nahm es mit nach Hause und legte es zu den Eiern, die seine Hühner
ausbrüteten.
Nach einiger Zeit bekam der Mann Besuch von einem Freund. Als sie gemeinsam
durch den Garten gingen, sagte der Freund zu seinem Gastgeber: Dieser Vogel
dort, das ist ja ein Adler. Der gehört nicht auf den Hühnerhof. Lass ihn
frei! Nein, sagte der Mann. Ich habe ihn zu einem Huhn erzogen. Er ist
kein Adler mehr, auch wenn seine Flügel drei Meter Spannweite haben. Der
Freund wollte ihm nicht glauben. Er nahm den Adler, hob ihn in die Höhe und
sagte beschwörend: Du bist ein Adler und gehörst in den Himmel! Breite
deine Schwingen aus und flieg! Aber immer wenn der Adler den Hühnerhof sah
oder die Hühner gackern hörte, flog er dorthin zurück. Da liess ihn der Mann
direkt in die Sonne schauen. Und plötzlich breitete der Adler seine
gewaltigen Flügel aus, erhob sich mit einem schrillen Schrei und flog höher
und höher, der Freiheit entgegen!
Wir gehören dem Himmel. Gott hat uns nach seinem Bilde geschaffen, nach dem
Bilde Gottes. Und er hat gesagt: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du
bist mein. Du gehörst dem Himmel, nicht der Erde. Und auch wir schauen
manchmal in die Sonne und stehen vor der Entscheidung, ob wir los fliegen
wollen. Dann fällt uns immer viel ein, das uns davon abhält.
Aber Gott hat etwas Besseres mit uns vor: Wir sollen freie Menschen sein,
frei und niemandem untertan. Drei Dinge können wir dabei von dem Adler
lernen:
Das Erste ist: Ein scharfer Blick für die Wahrheit.
Das Zweite ist: Wir brauchen ein Herz wie ein Adler!
Und das Dritte ist: Wir brauchen Phantasie für das Reich Gottes.
Wie die Flugbahnen des Adlers gibt es unendlich viele Wege, Gott
nachzufolgen.
Glauben heisst, immer wieder neu abzuheben. Jeden Tag neu die Flügel
auszubreiten und frei zu sein für das, was Gott mit uns vorhat. Martin
Luther hat einmal geschrieben: Das christliche Leben ist nicht Frommsein,
sondern Frommwerden, nicht Gesundsein, sondern Gesundwerden, nicht Sein,
sondern Werden, nicht Ruhe, sondern Übung. Wir sinds noch nicht, wir werden
es aber.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
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