Weg-Wort vom 9. November 2009
Die Frage nach der wahren Religion
In Lessings Drama Nathan der Weise steht im Mittelpunkt der Handlung die
Ringparabel: Der muslimische Herrscher Saladin legt dem weisen Juden Nathan
die Frage nach der wahren Religion vor. Nathan antwortet mit einem
Gleichnis, der Ringparabel, welche als pointierte Formulierung der
Toleranzidee gilt:
Ein Mann besitzt ein kostbares Familienerbstück, einen Ring. Welchem seiner
drei Söhne soll er ihn vererben? Er möchte keinen bevorzugen, da er alle
drei liebt. Deshalb lässt er Duplikate herstellen und hinterlässt jedem Sohn
einen Ring.
Nach dem Tod des Vaters möchten die Söhne vor Gericht klären lassen, welches
in Tat und Wahrheit der einzig echte Ring sei. Die überraschende Antwort des
Richters ist folgende: Jeder von ihnen solle glauben, dass sein Ring der
echte sei, da ihr Vater alle drei gleich geliebt habe und deshalb keinen
habe begünstigen wollen. Saladin versteht schnell die Botschaft von der
Gleichberechtigung der drei Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam.
Noch bis zum 7. November dauert die 3. Woche der Religionen in unserem Land,
organisiert von der interreligiösen Arbeitsgemeinschaft in der Schweiz. Es
ist eine Plattform für Begegnungen zwischen Menschen unterschiedlicher
Religionen. Etwa 170 Anlässe finden an 60 Orten statt.
Aleviten, Hinduisten, Moslems, Buddhisten, Bahai, Juden und Christen setzen
es sich dabei zum Ziel, sich über andere Ansichten, Bekenntnisse und
Glaubens-
kulturen zu informieren und sie gelten zu lassen.
Im Basler Rathaus haben zudem vor einer Woche Vertreter muslimischer,
jüdischer und christlicher Religionen den Vertrag zu einem vorerst
dreijährigen Dialogprojekt namens Zelt Abrahams unterzeichnet. Dabei soll
der Charakter des Zeltes sowohl die Begehbarkeit in alle Richtungen als auch
die Offenheit symbolisieren ein hoffnungsvolles Projekt, vielleicht auch
eine vorweg genommene Wirklichkeit, wie Pfr. Markus Christ aus Basel sagte.
Voraussetzung dafür ist, dass die Menschen sich nicht darauf versteifen, die
einzig wahre Religion zu besitzen. Jesus setzte nicht auf Religionen,
sondern auf Menschen. Der Mensch ist wichtiger als die Religion, und
wichtiger als der Sabbat.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Iris Daus
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