Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 4. August 2017
An Gutem zu viel
Sie kennen den Unterschied zwischen Gourmet und Gourmand. Ich darf Sie zu
den ersteren zählen: GeniesserIn zu sein ist etwas Schönes, geniessen zu
können etwas Wunderbares. Manchmal muss ich mich in die andere Kategorie
einreihen, bin dann noch zufrieden, wenn Gourmand mit Leckermaul übersetzt
wird. Weit weniger erfreulich ist dann schon die andere Bedeutung:
"Vielfrass".
Ausrutscher sind vielleicht noch zu entschuldigen, aber wenn das
Sättigungsgefühl im persönlichen Umgang nicht nur mit dem Essen, sondern mit
allem abhandengekommen ist, wirkt sich das katastrophal aus. Wir sind
übersättigt an Gutem und können nicht aufhören noch mehr davon zu bekommen.
Eine übersättigte Gesellschaft, die nicht aufhören kann mehr und noch mehr
in sich hineinzustopfen, kollabiert am eigenen Überfluss. Als Gesellschaft
gehören wir schon längst zu den Gourmands.
Dorothee Sölle hat vom Tod am Brot allein geschrieben - ich ergänze am Tod
von zu viel Gutem. Dem Einhalt zu gebieten brauchen wir nicht die Krise, wie
zum Beispiel die von Dieselfahrzeugproduzenten eingebrockte Suppe, die vom
Staat, dh von allen mitausgelöffelt werden muss. Dem Einhalt zu gebieten,
brauchen wir gemeinsame und regelmässige Pausen. Wie sonst kann sich das
Sättigungsgefühl wieder einstellen?
Es braucht nicht ein Mehr an Gutem, sondern ein Weniger damit wir die Güte
dessen, was wir haben, auch wirklich geniessen können. Darum brauchen wir
gemeinsame Pausen - am Sabbat, wie wir ihn aus unserer christlich-jüdischen
Tradition längst kennen würden, am Sonntag, wie wir ihn aus unserer
christlichen Tradition auch schon längst kennen würden. Es ist ein Weg
zurück vom gesellschaftlichen Gourmand zum gesellschaftlichen Gourmet. Das
würde uns helfen dort abzuspecken, wo es nötig ist.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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