Das Weg-Wort Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 3. Oktober 2019
weg-Wort
Ich schreibe ein Weg-Wort, um Ihnen etwas mit auf den Weg zu geben. Für mich
wird dieses Weg-Wort also bald weg sein. Nicht mehr bei mir, sondern bei
Ihnen. Ich habe nur zum Teil in der Hand, was dann mit meinen Worten
geschieht. Sie verstehen das, was ich sage auf dem Hintergrund Ihres
Erfahrungsschatzes, Ihrer Sprach- und Hörgewohnheiten, Ihrer konkreten
Lebensumstände.
Wie das? So, zum Beispiel:
Er (Gott) stösst die Gewaltigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.
Dieser altbekannte Satz aus dem Magnifikat, dem Lobgesang Mariens (Lk 1,
46-55) wird in der weltweiten Christenheit täglich wohl millionenfach
gebetet und gesungen. Ist er den Einen ein Stück vertrautes Ritual, wohlige
Heimat, ist er Anderen Ausdruck muffiger Kirchlichkeit. Aber in den 60er-
bis 80er-Jahren wurden die Worte von der Befreiungstheologie in
Lateinamerika, Afrika und Asien ganz neu gehört: Als klare Parteinahme
Gottes für die Armen, als Aufruf zur gesellschaftlichen Veränderung. Und
zwar jetzt! Und hier!
Aus der vertrauten Stube des liturgischen Hochgesangs, aus dem verstaubten
Estrich irrelevanter Traditionspflege ist der Satz in die rohe Wirklichkeit
benachteiligter Menschen ausgewandert - und hat dort gesellschaftliche
Brisanz entfaltet. Basisgemeinden forderten ihre Rechte, kirchliche
Machtstrukturen wurden in Frage gestellt, ungerechte Besitzverhältnisse
angeprangert.
Wunsch und Ziel zugleich: Aus Weg-Worten mögen weg-Worte werden. Raus aus
konventionellen Bahnen rein in ungewohnte Zusammenhänge. Wirk-Worte!
Was es dazu braucht? Mich selbst von der Sprache überraschen lassen, neu auf
sie hören, kreativ mit ihr spielen. An ihre Kraft glauben!
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
©Mateusz Dach/Pexels Wegweiser1 (2)
© Ökumenische Bahnhofkirche im Hauptbahnhof Zürich
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