Weg-Wort vom 16. März 2007
Zum sechsten Gebot: Das Leben des Mitmenschen umfassend schützen
Kein Gebot scheint selbstverständlicher und allgemeiner bekannt als das
sechste Gebot: Du sollst nicht morden (Dt 5,17)! Und dennoch ist kein
Gebot ohnmächtiger gegen die schreckliche, alltägliche Wirklichkeit als
dieses Gebot. Es scheint zum Leben zu gehören, dass es von der Tötung
anderen Lebens lebt.
Der Kern des Gebotes richtet sich auf ein ungesetzliches Töten und sagt: Wer
sich auf eigene Faust am Leben eines Mitmenschen vergeht, vergeht sich am
Bilde Gottes, also an der von Gott selbst gegebenen und garantierten Würde
des Menschen.
Die Bibel blickt aber nicht nur auf die letzte Möglichkeit und Wirklichkeit
menschlichen Versagens, sondern fragt und geht weiter, reflektiert innere
und äussere Zusammenhänge des Tötens. So setzte bereits das Alte Testament
dem Hang zur Rache eine Grenze. Der Rechtssatz des Aug um Auge, Zahn um
Zahn (Ex 21,14) tönt unbarmherzig. Aber er ist bereits ein Versuch, dem
Ausarten des Tötens zu wehren, eine ungezügelte Rache einzudämmen. Die
Strafe muss dem Vergehen angemessen sein.
Im Neuen Testament wird diese Linie fortgesetzt und auf eine unerhörte Weise
vertieft. Jesus sagt in der Bergpredigt: Ihr habt gehört, dass zu den Alten
gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemand tötet, soll dem
Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch
nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein (Mt 5,22). Jesus bezieht die
Wurzeln des Tötens ein, die in einem zürnenden, rachsüchtigen, hasserfüllten
Herzen liegen. Deshalb versucht er seinen Hörern die unbedingte Pflicht zur
Versöhnung einzuschärfen. Die Versöhnung darf nicht verschoben werden.
Damit wird die Frage nach einer positiven Überwindung des Bösen gestellt. In
der liebenden Hinwendung zum Nächsten, durch ein vielschichtiges Engagement
für das Gute soll eine lebensgefährdende Zerstörung überhaupt ausgeschlossen
werden. Martin Luther sagt im Grossen Katechismus: Wir verstossen gegen das
Du sollst nicht töten nicht nur dort, wo man Böses tut, sondern auch dort,
wo man das mögliche und nötige Gute nicht tut.
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