Weg-Wort vom 10. November 2008
Sehnsucht nach Vertrauen
Angesichts der Finanzkrise haben viele Menschen das Vertrauen in Teile der
Bankenwelt verloren. Es wird schwer sein, dieses Vertrauen zurück zu
gewinnen.
Immer mehr Menschen sind in ihrem Vertrauen in unsere gesellschaftliche
Ordnung verunsichert, in der Anstand, Rücksichtnahme und Solidarität stets
weniger respektiert werden.
Wir alle haben schon die schmerzliche Erfahrung gemacht, dass wir jemandem
unser Vertrauen entzogen haben, von dem wir bitter enttäuscht wurden.
Im privaten wie im öffentlichen Leben aber sind wir auf Vertrauen
angewiesen. Ohne Vertrauen verkümmert unsere Seele und bricht das
gesellschaftliche System aus einander. Über die Bedeutung des Vertrauens
schreibt Anselm Grün:
Wir erfahren im Alltag, dass wir uns auf Menschen oft nicht verlassen
können. Da hat uns jemand die Treue geschworen. Und doch verlässt er uns.
Ein anderer scheint einen klaren Stand und eine überzeugende Meinung zu
haben, doch dann verwickelt er sich in Skandale...
Es gibt immer auch Menschen, auf die man sich wirklich verlassen kann, die
einem nicht zu viel versprechen, die ehrlich und zugleich treu sind. Und es
gibt einen letzten festen Grund meines Lebens, auf den ich mich verlassen
kann: Sogar wenn ich mich selbst verlasse, weil ich es nicht bei mir
aushalte, verlässt mich Gott nicht.
Für Kinder ist Verlässlichkeit besonders wichtig. Für sie ist es wichtig,
darauf vertrauen zu können und daran zu glauben, dass ihr Engel sie nicht
verlässt, auch wenn Eltern sie verlassen, dass ihr Engel mit ihnen geht und
sie aushält, auch dort, wo sie sich selbst nicht aushalten können. Ein
solches tiefes Vertrauen ermöglicht es ihnen, zu sich zu stehen und ihre
Person zu entfalten. Nur solches Trauen gibt ihnen mitten in einer
unsicheren Welt einen guten Stand...
Die Erfahrung zeigt, dass kein Mensch ohne Vertrauen leben kann. Selbst wenn
er von einem anderen Menschen immer wieder enttäuscht worden ist, sehnt er
sich nach Menschen, denen er vertrauen kann. Er hat in sich die Ahnung, dass
er das Vertrauen braucht, um überhaupt einen festen Stand in dieser Welt zu
haben ... Und in der Sehnsucht nach Vertrauen ist schon anfanghaft Vertrauen
in uns.
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Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
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