Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 6. Juni 2019
Gläubig Ungläubig
Als ich vor einiger Zeit mit einer Gruppe Leuten diskutierte merkte ich
plötzlich, dass ich in dieser Gruppe als Ungläubige angesehen wurde. Es war
eine spannende Diskussion über Mose und den Exodus des Volkes Israel und
über biblische Archäologie. Aber eben, obwohl oder gerade weil ich Theologin
bin, war ich ungläubig im Auge der Mitdiskutierenden.
Die Diskussion um Glaube und Unglaube, Konflikte über das Gestalten des
Glaubens sind so alt wie das Christentum selber. So erschütterte mich die
Rolle der Ungläubigen wenig. Dennoch begann ich nachzudenken über
Zugehörigkeit und Ausschluss in einer Gruppe.
In der Bibel mit ihren aussagekräftigen Bildern bin ich dabei auf
Interessantes gestossen. Gott lässt alles erst einmal wachsen: Kraut und
Unkraut, Weizen und Gras, gute und schlechte Reben. Der Grund dafür ist,
dass am Anfang schwer zu unterscheiden ist, ob es sich um Korn oder Unkraut
handelt, und man bei vorschnellem jäten auch das kostbare Korn ausreissen
könnte. Für die Bauern könnte das den Ruin bedeuten, wenn vorschnell
Pflanzen ausgerissen werden. Übertragen auf Menschen gilt das auch: Nicht
vorschnell jemanden verurteilen, denn in jedem Menschen, wie auf jedem Feld,
gibt es gute und böse Anteile. Also braucht es auch für Menschen Nachsicht
und nicht vorschnelles Urteilen. In der Bibel ist es Gott der jätet und
entscheidet über gut und schlecht. Im Alltag übernehmen wir gerne diese
Rolle und teilen Menschen ein in gläubig und ungläubig, würdig und unwürdig,
dazugehörig oder ausgeschlossen.
Und ich? Bin ich immer gut, gerecht, gläubig und würdig? Was gibt mir das
Recht über andere zu urteilen? Bin ich so sicher, dass nicht auch ich
eingeschlafen wäre im Garten Getsemani, als Jesus die Jünger bat, mit ihm zu
beten?
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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