Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 19. April 2016
Die Fantasie der Gedanken
Sie ist nur noch ein Nervenbündel. Sie hat sich so lange mit ihrem Problem beschäftigt, es
hin und her überlegt, dass sie nur noch ein Häufchen Elend ist. Sie kann nicht mehr. Ein
Wunder, dass sie noch den Weg zu mir gefunden hat. Das Problem? Ihr Chef hat sich bei ihr
gemeldet. Er möchte sie Morgen um 10:00 Uhr für ein Vieraugengespräch treffen.
In ihrem Kopf hat sie sich schon abgeschrieben. Sie ist überzeugt, dass er ihr fristlos
kündigen will, obwohl sie sich keiner Gründe bewusst ist. Aber ihre Fantasie hat schon
eintausend und einen Grund gefunden. Sie hat sich das alles ausgemalt. Und sie weiss auch
schon, dass sie gar nicht schlafen wird. Und sie fragt sich, ob sie überhaupt den Termin
wahrnehmen soll. Sie ist völlig konfus.
Von Nasrudin gibt es dazu eine gute Geschichte, die ich ihr erzähle:
"Nasrudin wanderte eines Tages eine verlassene Strasse entlang. Die Nacht brach
gerade herein, als er einen Trupp Reiter erspähte, der ihm entgegenkam. Seine Fantasie
begann zu spielen: er befürchtete, die Reiter könnten ihn ausrauben oder in die Armee
zwangsverpflichten. Seine Angst wurde so gross, dass er über eine Mauer sprang und sich
auf einem Friedhof wiederfand. Die anderen Reisenden jedoch, von Nasrudins unterstellten
Absichten völlig unwissend, wurden neugierig und folgten ihm. Als sie ihn fanden, lag er
regungslos auf dem Boden. Einer der Reiter fragte: "Können wir Ihnen helfen? - Warum
befinden Sie sich in dieser misslichen Lage?" Nasrudin erkannte, dass er sich geirrt
hatte, und entgegnete: "Das ist schwerer zu erklären, als sie annehmen. Sehen sie,
ich bin hier Ihretwegen - und sie, sie sind meinetwegen hier."
Ich beruhige die Frau und bitte sie auch zu fantasieren, was an Gutem kommen könnte. Und
ich mache mit ihr ab, dass sie am folgenden Tag wieder zu mir kommt und mir berichtet, was
der Chef wirklich wollte.
Tatsächlich kommt sie am Abend darauf. Sie berichtet voll Freude, dass sie jetzt ein
eigenes Büro hat.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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