Weg-Wort vom 3. November 2006
Mit den Menschen unterwegs
Der kommende Reformationssonntag erinnert uns daran, dass die Kirche eine
sich stets erneuernde Kirche ist. Franz Werfel bringt dieses
urreformatorische Anliegen auf den Punkt, wenn er sagt: Dem ewig
Unwandelbarsten kann nur das ewig Wandelbarste hoffen zu begegnen.
Wir können Gott nur begegnen, wenn wir wandelbar bleiben, wenn wir auf dem
Weg sind, wenn wir offen sind für die Erneuerungen, in die das Leben uns
stets von neuem führt. Das gilt für jeden Einzelnen genau so wie für die
Kirche als ganze.
Wer im Überkommenen verharrt und sich dem Wandel des Lebens verschliesst,
wird spröde und seelenlos. Darum ist jede erstarrte Religion wie eine
Blasphemie, fährt Franz Werfel fort.
Nach Martin Buber geschieht Heilung und Heil nur in der konkreten Begegnung
mit Menschen in dieser konkreten Welt. Eine Kirche, die sich vor allem um
sich selber sorgt und um ihre eigene Zukunft, hat ihr Gottvertrauen verloren
und steht in Gefahr zu erstarren und heillos zu werden.
Einer lebendigen Kirche aber geht es immer zuerst um die Menschen, um ihr
Leben, um ihre Fragen, Sorgen und Freuden wie die folgende Geschichte
verdeutlicht:
Das kleine Bergdorf wollte endlich eine eigene Kirche bauen. Denn bisher war
das Schulhaus gleichzeitig auch ihre Kirche. Bei einem Unwetter aber
beschädigte der Bach einige Häuser und Ställe. Da beschlossen sie, mit dem
bisher für die Kirche gesparten Geld die Betroffenen beim Wiederaufbau zu
unterstützen. Als sie einige Zeit später die Bilder von den verzweifelten
Menschen nach dem Erdbeben im Nachbarland sahen, konnten sie nicht anders,
als auch ihnen zu helfen. Und so spielen die Kinder noch heute und wohl noch
lange auf dem Platz mitten im Dorf, der eigentlich für die Kirche vorgesehen
ist. (nach Josef Osterwalder)
Wenn die Kirche nahe bei den Menschen ist, wenn sie ihre konkrete
Lebenssituation mit den alltäglichen Anliegen und Problemen ernstnimmt und
mit ihnen auf den Weg geht, braucht sie sich keine Sorgen zu machen um ihre
Zukunft. Denn erst unterwegs, gemeinsam mit den Menschen dem steten Wandel
des Lebens unterworfen, kann sie gemeinsam vertrauend hoffen, dem ewig
Unwandelbarsten zu begegnen.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
www.bahnhofkirche.ch
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Hans-Ruedi Rüfenacht
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche