Weg-Wort vom 28. April 2011
Narben
Als Schreinersohn bastle und werkle ich in meiner Freizeit gerne. Dabei
geschieht es nicht selten, dass ich mich leicht verletze: Hier ein kleiner
Schnitt durch eine harte Kante, ein blauer Finger vom Hammer, ein
eingezwickte Handfläche durch die Zange. Zum Glück sind die Verletzungen
selten ernsthaft, und meine Wundheilung ist intakt.
Nach Unfällen und schweren Operationen bleiben oft auffällige Narben zurück,
mit denen die Betroffenen dann leben müssen. Die Spuren medizinischer
Eingriffe trägt man am besten mit Fassung. Der Versuch, Narben zwanghaft vor
anderen zu verstecken, schränkt einen oft nicht nur im täglichen Leben ein,
er macht es auch schwerer, mit der erfahrenen Krankheit und den erlittenen
Verletzungen ins Reine zu kommen. Denn hinter körperlichen Narben verbergen
sich oft auch seelische Verletzungen. Und ein schwerer Unfall oder eine
schmerzhafte Operation kann unser Selbst- und Gottvertrauen erschüttern.
Jede und jeder von uns erleidet im Laufe seines Lebens zahlreiche
Verletzungen, wobei die seelischen manchmal noch schmerzhafter
folgenschwerer sind als die körperlichen. Vieles, was geschehen ist, können
wir nicht ungeschehen machen, es bleiben Narben zurück.
Aber was wären wir ohne die überstandenen Verletzungen und bleibenden
Narben? Grosse Narben sind Ehrenzeichen. Sie erzählen von überstandenen
Abenteuern und Gefahren, von Schmerz und Verzweiflung, Hoffnung und Rettung.
Wer sie hat, hat in einen Abgrund geschaut, den andere nicht kennen.
An seinen Wundmalen haben die Apostel den Herrn nach der Auferstehung wieder
erkannt. Im Himmel werden auch wir ihn an seinen verklärten Wunden erkennen.
Und wir dürfen dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn die Wunden
hinhalten, die uns das Leben geschlagen hat. Er wird sie heilen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi, Beat Schlauri
info(a)bahnhofkirche.ch
www.bahnhofkirche.ch