Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 22. August 2014
Wort Gottes
"Manch Christ bringt gern der Bibel Opfer - er glaubt. Nur selten nutzt den Kopf
er." So hat ein Kirchenkabarettist einmal, ziemlich bissig, das Verhältnis mancher
Frommen auf die Formel gebracht. Ist das berechtigt?
Ich habe das immer wieder einmal gehört, wenn es um biblische Texte ging: "Ja, das
ist schier unglaublich, was da steht. Aber es steht in der Bibel, also muss man es
glauben." Der christliche Fundamentalismus breitet sich immer mehr aus. Deshalb
könnte es schneller, als wir ahnen, dazu kommen, dass jemand, der sich kritisch mit der
Bibel auseinandersetzt, als ungläubig gilt. Es gibt einen grossen Unterschied zwischen der
kritischen theologischen Forschung und dem, was in unseren Gemeinden häufig als
"fromm" gilt. Je mehr pauschal gesagt wird, die Bibel sei "Gottes
Wort", umso weniger wird es möglich sein, hier Brücken zu bauen. Die Bibel ist oft
ein beeindruckendes Beispiel für Weisheit, ohne dass sie zuerst historische Berichte
liefert. Jemand schrieb dazu einmal:
"Gott hat die Welt aus nichts gemacht, heisst es im weisen alten Buch. Das kann ich
gut ertragen. Doch all das ist nur der Versuch (menschlich erlebt, erhofft, erdacht),
Unsagbares zu sagen."
Sind biblische Texte nur dann "wahr", wenn ich davon ausgehe, dass sie sich
genau so zugetragen haben, wie sie aufgeschrieben wurden? Sind die Begriffe
"Wahrheit" und "historische Genauigkeit" identisch? Nein, sicher
nicht. Aber Kirche hat oft diesem Missverständnis auf die Beine geholfen. Kein Wunder,
dass Glaube und Toleranz bzw. Aufklärung oft als Gegensätze gelten, kein Wunder, wenn die
Nicht-Bereitschaft in den Kirchen, Kritik an Glaubensinhalten zuzulassen, Satiriker auf
den Plan ruft mit Versen wie diesem: "Der Inquisitor ruft: Tod jedem Ketzerhund! So
tut sich Ideologie der Hetzer kund."
Es wäre gut, wenn wir von einem wörtlichen, von einem fundamentalistischen Verständnis der
Bibel Abstand nähmen - auch der Bibel wegen. Was dort steht, ist nicht einfach vom Himmel
gefallen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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