Weg-Wort vom 10. September 2008
Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht (Bonhoeffer)
Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer schrieb in einem seiner
Haftbriefe das Wort: Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht. Damit meint
er: Es ist zu wenig zu bekennen, dass es einen Gott gibt, wie wir das im
Glaubensbekenntnis aussprechen. Er bekennt sich zu einem Weg auf Gott zu und
zu einer Beziehung zwischen mir und Gott: Ich glaube an Gott...
Was Bonhoeffer noch relativ vorsichtig zu Wort brachte, formulierte Karl
Rahner deutlicher. Er schrieb das provozierende, auch heute noch häufig
zitierte Wort: Der Christ von morgen wird ein Mystiker sein, einer, der
etwas erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein. Damit meint er: Es genügt
nicht, vom Glauben einiges zu wissen und darüber sprechen zu können, sondern
ich muss Gott an mich heran- und in mich hereinlassen. Gott will für mich
ein Du sein, das ich ansprechen kann, von dem ich mich berühren lasse.
Karl Rahner spricht von einer Mystik, zu der jeder Christ, jede Christin
ohne Ausnahme berufen ist. Er denkt nicht an aussergewöhnliche Erlebnisse
und Erfahrungen, die jenseits der Lebenswelt des normalen, gewöhnlichen
Christen sind. Rahner geht es um eine Glaubenserfahrung, die aus der Mitte
des Menschen kommt. Er ist der Überzeugung, dass es uns heute nur aus den
letzten Quellen der Gottesverwurzelung im eigenen Inneren heraus gelingen
wird, Christen, Christinnen zu sein. Dabei sagt er nicht, wie viel der
Mensch erfahren haben muss, um morgen bestehen zu können. Er sagt nur, der
etwas erfahren hat. Dieses Etwas kann sehr wenig sein und mich doch weit
in die Zukunft tragen, wenn es mich mitten ins Herz trifft.
Dabei spielt die Sehnsucht eine wichtige Rolle. Denn ein Glaube, dem die
Sehnsucht fremd geworden ist, lebt nicht mehr. Die Sehnsucht ist die
Triebkraft lebendigen Glaubens. Alle Gebetsformeln, die wir sprechen, müssen
immer neu von einer erlebten oder doch ersehnten Beziehung getragen werden.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
www.bahnhofkirche.ch
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche