Weg-Wort vom 23. Mai 2007
Um welches Stück geht es denn eigentlich?
Eine Anekdote aus dem Theaterleben erzählt: Ein Schauspieler stolpert eines
Abends angeheitert auf die Bühne. Er findet partout nicht in seine Rolle
hinein. Die Souffleuse flüstert ihm verzweifelt das Stichwort seines
Einsatzes zu. Schliesslich, nach mehreren vergeblichen Versuchen, wendet
sich der Schauspieler verärgert dem Souffleurkasten zu und ruft: Keine
Einzelheiten bitte! Welches Stück?
Genau das ist die Frage, die uns Christen und Christinnen heute gestellt
ist: Keine Einzelheiten bitte, um welches Stück geht es in eurem
Christsein? Um welches Stück geht es denn eigentlich in den Kirchen?
Seit einigen Jahren ist in kirchlichen Gremien immer wieder die Rede vom
Kerngeschäft des Glaubens. Wir brauchen eine Rückkehr zum Eigentlichen.
Hinter diesen Diskussionen stehen viele Erfahrungen. Eine davon ist die
Tatsache, dass in unserer westlichen Welt immer mehr von der eigentlichen
Substanz des Glaubens verdunstet. Zentrale Glaubensgehalte wie z. B. der
Glaube an ein Leben nach dem Tod werden von vielen nicht mehr geteilt.
Was ist aber das Kerngeschäft unseres Glaubens? Es gibt viele Antworten. Ich
nenne eine des salvadorianischen Befreiungstheologen Jon Sobrino: Es geht
um eine Kirche, die nicht mehr um sich selbst kreist, sondern auf das Reich
Gottes ausgerichtet ist, also umgekehrt ist, die nicht ihr eigenes Leben und
das der Institution sucht, sondern das der leidenden Welt.
Diese Antwort führt in die Mitte der Botschaft Jesu, zu seinem
Herzensanliegen, nämlich dem Kommen des Reiches Gottes. Gemeint ist damit
die Vision einer Menschheit, in der Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit, Liebe
herrschen, in der alle Menschen einander Brüder und Schwestern sind. Ein
Blick in die grosse und kleine Welt zeigt, dass diese Vision noch lange
keine Realität ist. Und doch können Menschen durch ihren Einsatz für ein
besseres und gerechteres Zusammenleben mitwirken, dieser Vision zum
Durchbruch zu verhelfen.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
www.bahnhofkirche.ch
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Hans-Ruedi Rüfenacht
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche