Weg-Wort vom 14. September 2009
Übung macht den Meister
Unser alltägliches Leben ist so oft immer dasselbe! Stets dieselben
täglichen Arbeiten und Mühen. Dieselben Gesichter. Jeden Tag die
unvermeidlichen Reibereien und derselbe Ärger. So viele Erwartungen, die
nicht erfüllt werden. Immer wieder Missverständnisse. Und dazu die
Misserfolge. Manchmal ist das kaum zum Aushalten!
Aber trotz allem gilt: Unser alltägliches Leben ist unser bester
Lehrmeister! Es schleift uns tagtäglich wie einen rohen Diamanten. Dazu das
Gleichnis vom Binsenkorb:
Am Rande der Wüste lebte ein Eremit. Ihn besuchte eines Tages ein Jüngling
und klagte ihm sein Leid. Ich lese so viele heilige Texte, sagte er. Ich
studiere in den Büchern und vertiefe mich in die Schönheit all der Worte;
ich möchte sie behalten und als einen Widerschein der ewigen Wahrheit in mir
bewahren. Aber es gelingt mir nicht; ach, alles vergesse ich! Ist nicht die
mühevolle Arbeit des Lesens und Studierens umsonst?
Der Mönch hörte ihm gut zu. Als er fertig war mit dem Sprechen, liess er ihn
einen Binsenkorb nehmen. Hol mir aus dem Brunnen dort drüben Wasser, sagte
er zu dem Jüngling. Hat er meine Frage nicht verstanden? sagte sich
dieser, hat er mich überhaupt nicht gehört? Widerwillig nahm er den von
Staub verschmutzten Korb auf. Das Wasser war längst herausgerieselt, als er
zurückkehrte.
Geh noch einmal! sagte der Eremit. Der junge Mann gehorchte. Er prüft
meinen Gehorsam, ehe er auf meine Frage antwortet, dachte er. Immer wieder
füllte er Wasser in den Korb, immer wieder rann es zu Boden. Nach dem
zehnten Mal durfte er aufhören.
Sieh den Korb an, sagte der Mönch. Er ist ganz blank. So geht es dir mit
den Worten, die du liest und bedenkst. Du kannst sie nicht festhalten, sie
gehen durch dich hindurch, und du hältst die Mühe für vergeblich. Aber
ohne dass du es merkst, klären sich deine Gedanken und machen dein Herz
rein.
Wir wünschen Ihnen einen guten und gesegneten Tag!
Die Seelsorger und Seelsorgerinnen der Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Beat Schlauri, Susanne Wey
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