Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 4. April 2014
Versuchung
Versuchung ist selten vorhersehbar. Sie hat etwas Überraschendes. Bei Petrus kommt sie
ganz alltäglich auf ihn zu. Er steht nach der Verhaftung von Jesus vor der
Reinigungsfachkraft des Hohen Priesters und bekommt es mit der Angst zu tun. Auf die
Feststellung der Frau: Du bist auch ein Freund des Jesus! antwortet er dreimal: Ich kenne
den Jesus nicht. Ich habe ihn nie gekannt. Und mit dem Hahnenschrei wird dem Petrus
bewusst, dass er Jesus verleugnet hat. Das ist der Anfang der Versuchung.
Dann beginnt die zweite Phase der Versuchung: die Versuchung, sich selbst aufzugeben
und/oder die Versuchung, sich selbst unbarmherzig zu bestrafen.
Wenn wir erkennen, dass wir das Ziel, das wir uns gesteckt haben, aus Feigheit, Trägheit
verfehlt haben, dann richten wir unsere ganze Wut gegen uns selber. Wir werden unser
eigener gnadenloser Richter. Wir bestrafen uns mit Verzweiflung, Resignation, sprechen uns
selber das Recht auf Leben, auf Lebensfreude ab! Wir wüten gegen uns. Wir plagen uns mit
Selbstmitleid und ausweglosen Fragen: Warum gerade ich? Mir bleibt aber auch nichts
erspart! Wenn ich doch! Wir sind überzeugt, Versager zu sein. "Das Böse" will
uns aussieben. Wir sollen uns überflüssig, wertlos, ungeeignet vorkommen, wie Spreu oder
ein Stein unter den Weizenkörnern, die ausgesiebt werden müssen. Also: Nicht das Versagen,
sondern das Leiden daran, dass wir versagt haben, das ist die Versuchung.
Petrus hat dem Sog der beschriebenen Gedanken standgehalten und bitterlich geweint. Er
steht dazu, ein schwacher Mensch gewesen zu sein und lässt sich so in Gottes
Barmherzigkeit fallen. Darum kann Jesus dann sagen: „Ich aber habe für dich gebetet, dass
dein Glaube nicht aufhört. Und wenn du dich wieder gefunden hast, dann stärke deine Brüder
und Schwestern.“ (Lk 22.32)
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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