Weg-Wort vom 11. Juni 2008
Haben
Und Jesus sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: Es war ein reicher Mensch,
dessen Feld hatte gut getragen. Und er dachte bei sich selbst und sprach:
Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle.
Und sprach: Das will ich tun: ich will meine Scheunen abbrechen und größere
bauen, und will darin sammeln all mein Korn und meine Vorräte. (Lukas 12,
16- 18)
Als Kinder lachten wir über die Gier des reichen Dagobert Duck. Er konnte
sein Leben nicht geniessen weil er sich soviel um sein Geld kümmern musste.
Mehr und noch mehr und möglichst nichts davon weiter geben, das war seine
Freude. Damit diese blieb, muss-te noch mehr dazukommen.
Nachdem ihr Mann gestorben war, klagte mir die elegante Dame: Sie sei ihr
ganzes Leben nur immer von der Wohnung ins Ferienhaus in den Bergen gereist
und von dort in den Sitz im Süden. Immer sei etwas zu tun gewesen. Zu spät
hätten sie als Paar gemerkt, dass sie wegen ihres Besitzes kaum das gelebt
haben, was sie sich gewünscht hatten. Dann war es zu spät.
Viele Menschen sehnen sich nach einer idealen Welt. Diese versuchen sie sich
im kleinen oder grösseren Rahmen zu schaffen. Aber, ob Schrebergarten oder
Park, ob Ruderboot oder Jacht, kaum geht ein Wunsch in Erfüllung, steht
schon der nächste an. Verschreibt man sich dem Haben, dann nehmen die
Begehrlichkeiten zu. Man hat einfach nie genug.
Kaum bin ich auf Reisen vergesse ich, was ich zuhause habe, ich möchte all
das Neue mitnehmen, das ich sehe. Ich möchte es haben. Manchmal verbinde
ich damit eine Erin-nerung. Aber je länger ich durch die Vielfalt der Märkte
ziehe umso gieriger werde ich. Hier ein Schnäppchen, da eine Chance. Die
vielen Eindrücke verwirren mich und verwehren mir den Zugang zu mir selbst
das Mass geht verloren.
Dann hilft es mir, mich in einer Kirche abzukühlen. Menschen zu sehen, die
beten. Bilder zu betrachten, welche die Geschichten erzählen, die mir
bekannt sind. So mache ich mir wieder die Werte und die Grössenverhältnisse
bewusst, die für mich gelten. Dann finde ich wieder etwas zu mir zurück. Ich
besinne mich darauf, dass ich nicht will, dass sich mein Leben im Haben
erschöpft, ich brauche keine grössere Scheune.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
www.bahnhofkirche.ch
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche