Weg-Wort vom 20. März 2006
Gehalten sein
Eine Mutter, die ihr Kind spielerisch hochfliegen lässt und es trotzdem
hält. Ein Vater, der sein Kind in die Luft wirft und es sicher auffängt.
Vielleicht erinnern Sie sich noch selber an das atemberaubende, prickelnde
Gefühl des Hochfliegens in der Gewissheit, wieder aufgefangen und gehalten
zu werden. Vielleicht haben Sie auch das glückliche Jauchzen eines Kindes
miterlebt, das Sie hochgeworfen und aufgefangen haben.
Mit dem Glauben verhält es sich ähnlich. Wer glaubt, weiss, dass er von Gott
gehalten ist, was auch immer in seinem Leben geschieht. In Psalm 23 wird
dieser Glaube beschrieben:
Der Herr ist mein Hirt; darum leide ich keine Not. Er bringt mich auf
saftige Weiden, lässt mich ruhen am frischen Wasser und gibt mir neue Kraft.
Auf sicheren Wegen leitet er mich, dafür bürgt er mit seinem Namen. Und muss
ich auch durchs finstere Tal - ich fürchte kein Unheil! Du, Herr, bist ja
bei mir; du schützt mich und führst mich, das macht mir Mut ... Deine Güte
und Liebe umgeben mich an jedem neuen Tag; in deinem Haus darf ich nun
bleiben mein Leben lang.
Der Glaubende weiss sich von seinem Gott beschützt und gehalten sein Leben
lang. Er weiss aber auch, dass das Fallen zum Gehalten werden gehört. Denn:
Gehalten zu sein hält das Fallen nicht auf. Der Glaube schützt uns nicht vor
den Sorgen und dem Versagen, vor Krankheit, Unglück und Leid. Als Glaubender
aber weiss ich, dass ich mit all dem nicht allein bin. Dass ich es nicht
allein tragen, aushalten und durchstehen muss. Dass es nicht nur auf mich
ankommt.
Ich weiss mich trotz allem und mit allem gehalten von meinem Gott, auch wenn
ich es manchmal fast nicht begreifen kann. Sein Halten umfängt jedes Fallen.
Es schliesst alle Unsicherheiten und Zweifel, Ängste und Nöte mit ein. Ihm
kann ich mich jederzeit anvertrauen, mit allem was ich bin und habe. Auf ihn
ist Verlass!
Die Gewissheit gehalten zu werden gibt mir Mut und Kraft. Sie erlaubt mir,
meine Kräfte nicht krampfhaft an meine Ängste und Sorgen binden zu müssen.
Ich habe sie vielmehr zur freien Verfügung, auch mit meinem immer wieder
Fallen zu leben und stets neu mein Bestes aus den Widersprüchen meines
Lebens zu machen.
Und ich weiss, dass ich selbst in meinem letzen Fallen von Gott gehalten
bin, dass er mich im Sterben ja nur gleichsam von der einen in seine andere
Hand nimmt.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Hans-Ruedi Rüfenacht
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche
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