Weg-Wort vom 6. November 2007
In jedem Augenblick ist Ewigkeit
Die Herbststimmung ist wieder einmal unvergleichlich. Ein leichter Nebel
über dem Boden lässt die farbenprächtigen Bäume lichter und bunter
erstrahlen. Die weissen Berge im Hintergrund und der tiefblaue Himmel tragen
das ihre bei zum fast mystisch anmutenden Herbstbild.
Ich sitze nur da, staune und lasse dieses traumhafte Bild tief in mich
hinein. Ich vergesse die Zeit und alles rings um mich. Da ist kein störender
Gedanke, der mich aus der Unmittelbarkeit des Betrachtens reisst.
Es gibt immer wieder Augenblicke in unserem Leben, in denen die Zeit still
zu stehen scheint. Momente tiefer Selbstvergessenheit, der Hingabe und des
Glücks. Wir sind dann ganz bei der Sache beim Hören unserer
Lieblingsmusik zum Beispiel, beim Lesen eines berührenden Textes oder in der
erfüllenden Begegnung mit einem Menschen...
Wir sind dann einfach nur da. Keine Erinnerungen treiben uns um. Keine
Sorgen belasten uns. Die Welt ist ganz einfach in Ordnung. Sie zeigt sich
uns für Augenblicke in einem anderen Licht. Es berührt uns die Ahnung ihrer
allumfassenden Sinnhaftigkeit, in der wir uns wie aufgehoben fühlen.
Solche Erfahrungen der unmittelbaren Gegenwärtigkeit sind nichts
Aussergewöhn-liches. Sie sind nicht den grossen Mystikern und
Weisheitslehrern vorbehalten. Sie sind im Grunde gewöhnliche
Alltagserfahrungen, Lichtblicke mitten in unserem Tag, zu jeder Zeit und
überall möglich wenn wir offen sind für sie, für den Kontakt mit dem
Jetzt, mit dem Kern unseres Selbst, mit unserem inneren Wesen.
Solche Sinnerfahrungen sind ein Stück gelebte Spiritualität im Alltag. Wir
können sie aber nicht einfach herbeirufen. Wir brauchen die bewusste Übung,
immer und immer wieder.
Indem wir mitten in unserer alltäglichen Lebenswelt innehalten und uns auf
das Jetzt, was auch immer es gerade ist, ganz einlassen. Sind wir für
Augenblicke im Hier und Jetzt, wird es transparent für den ihm
innewohnenden, tiefen Sinn. Wir sind bei uns selbst, erfahren uns als ganz
und heil.
Jede unserer Alltäglichkeiten kann so Eingangstor sein in die zeitlose
Sinntiefe unseres Lebens. Denn in jedem Augenblick ist Ewigkeit. In allem
ist das Göttliche gegenwärtig.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
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