Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 9. März 2016
Bildung
Das war damals noch oft so, was diese alte Frau mir berichtete. Sie waren fünf Kinder zu
Hause auf dem Bauernhof, fünf Mädchen. Und nur die Jüngste durfte einen Beruf erlernen,
die anderen mussten auf dem Hof helfen - bis sie im Heiratsalter waren.
Und das hat an ihr immer genagt, dass sie keinen Beruf lernen konnte. Wie gerne wäre sie
Schneiderin geworden. Aber nein, die Gelegenheit dazu hat sich auch später nicht ergeben.
Was sie dann aus ihrem Leben berichtet, fasziniert mich. Unglaublich was sie alles erlebt
hat, auch dank einem tollen Mann, der ihr immer Raum und Platz und Mitsprache ermöglicht
hat. Trotzdem trauert sie heute noch der nicht erhaltenen Berufsausbildung nach.
"Bei meinen Kindern habe ich aber dafür gesorgt, dass alle eine gute Ausbildung
machen konnten!" fährt sie fort. Und etwas Neid schwingt mit, als sie weiter erzählt,
das zwei von ihren drei Kindern studiert haben und der Jüngste seinen Weg in einer grossen
Bank macht.
Ich habe Hochachtung vor ihr. Ich staune, wie sie auf ihrem Weg alles aufgesogen hat, das
sie lernen und erfahren konnte. Und ich lobe sie dafür. Sie ist eine wahrhaft gebildete
Frau. Und zum Schluss erzähle ich ihr noch die Geschichte vom studierten Mathematiker, der
vor einer Wahl stand, und dabei kläglich scheiterte, weil seine Berufsbildung ihm im Weg
stand:
Er musste nämlich zwischen einem Sandwich und der ewigen Seligkeit wählen! Was nimmt er?
Natürlich das Sandwich: Nichts ist besser als ewige Seligkeit - aber ein Sandwich ist
besser als nichts. Das war seine erklärende Gleichung.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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