Weg-Wort vom 4. Dezember 2007
Geh und öffne die Tür
Mauern trennen das Aussen vom Innen. Sie können Geborgenheit geben und
ausgrenzen. Türen ermöglichen die Verbindung von innen nach aussen und
umgekehrt. Der Advent mit seiner Ausrichtung auf Weihnachten ist eine Zeit,
in der Menschen häufiger das Gespräch suchen und die Tür zu ihrer Seele
öffnen.
Der Mann seufzte tief auf. Er begann mich anzustrahlen. Endlich! sagte er,
das hat gut getan! Ich fühle mich so erleichtert, wie wenn eine schwere
Last von mir genommen ist. Er hatte es nicht mehr ausgehalten, als überall
der Weihnachtsschmuck erstrahlte. Er musste endlich mit jemandem reden, über
seine Ängste, seine Unsicherheiten, seine Zweifel und Sorgen.
Er hatte immer geglaubt, er müsse stark sein, alles im Griff haben und mit
seinen Problemen selber klar kommen, vor allem bei der Arbeit. Aber auch
seine Frau und die Kinder sollten nicht wissen, wie es in ihm wirklich
aussieht. Das werde von ihm erwartet, dachte er.
Ähnlich wie diesem Mann ergeht es vielen Menschen, vor allem Männern. Wir
alle aber brauchen für eine gesunde Seele jemanden, mit dem wir über alles
reden können, dem wir die Tür zu unserer Seele öffnen. Erst wenn unser Herz
sich öffnet, bleibt Weihnachten nicht aussen vor, geschieht Weihnachten in
uns selbst.
Der tschechische Dichter Miroslav Holub macht mit dem folgenden Gedicht Mut,
die Scheu zu überwinden und unsere Seelentür zu öffnen, auch wenn die
Anfänge bescheiden und vielleicht nicht viel mehr als ein erster Luftzug
sind:
Geh und öffne die Tür.
Vielleicht ist draussen
ein Baum oder ein Wald
oder ein Garten
oder die magische Stadt.
Geh und öffne die Tür.
Vielleicht kratzt ein Hund da.
Vielleicht ist da auch
ein Gesicht oder ein Auge
oder das Bild eines Bildes.
Geh und öffne die Tür.
Wenn da Nebel ist,
wird er fallen.
Geh und öffne die Tür.
Und wenn da nur
tickende Finsternis wäre,
und wenn da nur
ein hohler Hauch wäre,
und wenn da
gar nichts
wäre,
geh und öffne die Tür.
Zumindest
ein Luftzug
wird sein.
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Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
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