Weg-Wort vom 17. September 2010
Bettag
Der Weisheitslehrer empfing einen Besucher, der um eine Unterweisung gebeten
hatte. Er bot ihm zunächst eine Tasse Tee an und begann, ihm einzugiessen.
Doch als die Schale voll war, goss er gelassen weiter, so dass sie überlief.
Halt! Was machen Sie denn da? Die Schale ist doch voll. Da geht nichts mehr
hinein! rief der Besucher. Der Meister lächelte: So wie die Schale bist du
voll deiner eigenen Ansichten und Vorstellungen. Wie soll ich dich Weisheit
lehren können, bevor du deine Schale nicht geleert hast?
Verhält es sich nicht oft so, wenn wir mit anderen zusammen sind? Unser Kopf
ist meistens voll von Erlebnissen und Erfahrungen, von Meinungen und unserem
Wissen. Da geht nichts mehr hinein. Im Gegenteil, wir berichten lieber den
anderen von all dem, was unseren Kopf übervoll macht. Wir kennen aber auch
die umgekehrte Situation. Wenn die anderen immer nur von sich erzählen,
obwohl wir doch eigentlich auch über uns reden wollten.
Mit dem Beten verhält es sich ähnlich. Wir sind voll von Klagen und Bitten
und möchten, dass Gott uns erhört. Mit ihm kann man aber keine Geschäfte
machen. Er braucht unser Gebet nicht, um zu sehen, was uns und unserer
Mitwelt not- und gut tut. Das weiss er besser als wir. Wir können ihm
vielmehr unseren vollen Kopf, unser volles Herz einfach vertrauensvoll
übergeben.
Gott will aber auch unsere Aufmerksamkeit und Offenheit, unseren leeren
Kopf, damit sein Wort in uns Gehör finden kann. Er möchte unsere
Absichtslosigkeit, unser leeres Herz, damit seine Worte bei uns einen Boden
finden, auf dem sie wachsen können. Beten heisst so vor allem: Zeit mit Gott
verbringen in absichtsloser Aufmerksamkeit statt mit berechnendem Anspruch
nicht haben wollen, sondern da sein dürfen, in aller Offenheit des
Herzens.
Der kommende Bettag ist eine Gelegenheit, für einmal auszusteigen aus der
Hektik und Aufgeregtheit unseres Alltags. Unseren übervollen Kopf
vertrauensvoll Gott zu übergeben und ihn so zu leeren. Ein wenig Zeit mit
Gott zu verbringen und zu hören, was er uns in den Worten und Taten Jesu zu
sagen hat.
Wir wünschen Ihnen einen guten und gesegneten Tag!
Die Seelsorgenden der Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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