Weg-Wort vom 6. Februar 2007
Sei uns gnädig, Gott! (Psalm 67)
Der 67. Psalm ruft alle Menschen in der Welt auf, Gott dankbar zu sein. Und
er meint alle Menschen alle Menschen in der ganzen Welt! Die Völker
sollen dich preisen, Gott, sie sollen dich ohne Ausnahme preisen. ... Du
lenkst alle Staaten der Welt. (Ps 67.4 und 5c)
Ich habe Mühe damit. Wie sollen Mütter und Väter in den Hungergebieten der
Welt, die ihre Kinder nicht ernähren können, Gott dankbar sein? Wie sollen
Aids-Kranke in Afrika, denen Medikamente vorenthalten werden, Gott dankbar
sein? Wie sollen Menschen, denen irgendwo in der Welt elementarste
Menschenrechte verweigert werden, Gott dankbar sein?
Mit vollem Bauch, mit geregeltem Einkommen, das leben lässt, mit einem mehr
oder weniger sicheren Umfeld fällt es leicht, Gründe für die Dankbarkeit
Gott gegenüber zu finden. Aber wo das alles fehlt, da tönt die Aufforderung
zur Dankbarkeit Gott gegenüber wie blanker Hohn.
Wer darum wirklich Grund zur Dankbarkeit hat, der wird auch in die Pflicht
genommen. Aus der Dankbarkeit wachsen Kraft und Möglichkeiten, die denen zu
gute kommen sollen, die diese brauchen. Dankbarkeit nimmt uns in die
Verantwortung, auf die zuzugehen, die keinen Grund zur Dankbarkeit haben.
Ich bin darum froh, dass der 67. Psalm mit einem anderen Tonfall, einer
anderen Bitte beginnt: Ach Gott, sei uns gnädig und segne uns! (Ps 67.2a)
Weil wir immer mehr für diese Welt, für unsere Nächsten tun können und
sollen, darum sind wir so sehr auf den gnädigen Blick Gottes und auf seinen
Segen angewiesen. Und das betrifft dann in gleichem Masse wirklich immer
wieder alle Menschen auf dieser Welt.
Mit freundlichen Grüssen
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Hans-Ruedi Rüfenacht
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