Weg-Wort vom 6. April 2007
Zwischen Karfreitag und Ostern
Er habe nur noch Wut, Trauer und Schmerz empfunden nach dem Unfalltod seines
Sohnes. Da war totale Finsternis, kein Licht, kein Hoffungsschimmer. Und all
die gut gemeinten Ratschläge und Aufmunterungen wie Das Leben geht weiter
Du schaffst das schon haben ihn eher fertig gemacht. Nur das Kreuz, das
habe ihm geholfen: Beim Betrachten des Kreuzes habe ich mich ernst genommen
gefühlt. Denn es hat mich in meiner Trostlosigkeit und Verzweiflung
ausgehalten!
Wir alle möchten uns am liebsten an unseren persönlichen Karfreitagen
irgendwie vorbeimogeln, uns über sie hinwegtrösten. Doch, sie gehören zu
unserm Leben, unausweichlich. Sie wollen von uns ernstgenommen werden und
ausgehalten sein. Da müssen wir durch.
Und Karfreitage finden täglich statt, kleine und grosse in unsern guten
Stuben, hinter geschlossenen Bürotüren, auf den Strassen und den
Kriegsschauplätzen der Welt, in den von der Gier nach Reichtum und Macht
verursachten sozialen Nöten, in allen verletzten Seelen auf unserer Erde.
Karfreitage aber haben nicht das letzte Wort auf dieser Welt. Ostern die
Aufer-stehung Jesu macht die Karfreitage zwar nicht ungeschehen, nimmt
ihnen aber den Charakter des Endgültigen und verweist sie in den Bereich des
Vorletzten. Wir brauchen unseren Blick nicht wie gebannt auf den grossen
Stein vor dem Grab zu heften, auf das unwiderrufliche Nein des Todes (Mk
16,3f). Ostern zeigt uns, dass das Leben stärker ist als der Tod, dass die
Liebe grösser und mächtiger ist als alles Unheil und alle Bosheit, als jede
Not und jeder Schmerz dieser Welt.
Es ist dieser österliche Glaube, der uns die Kraft zu geben vermag, der
täglichen Spannung zwischen Karfreitag und Ostern, in der wir leben,
standzuhalten.
Auch Ostern findet täglich statt im Kleinen wie im Grossen:
Wenn wir immer wieder neu anfangen, nach jedem Karfreitag - weil sich in
jeder Träne auch das Licht des Tages widerspiegelt. Wenn wir über unsern
eigenen Schatten springen. Wenn wir darauf setzen, dass nicht nur das Böse,
sondern auch das Gute eine ansteckende Kraft hat.
Wenn wir uns erheben gegen Hunger und Unterdrückung. Wenn wir damit rechnen,
dass Friede und Solidarität ein eher langer Prozess sind, Gier und Gewalt
aber kurzen Prozess machen. Wenn wir uns nicht unterkriegen lassen von der
täglichen Nachrichtenflut über Krieg, Not und Elend, sondern trotzdem an das
Leben glauben und tun, was in unserer Macht steht.
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Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
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