Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 23. September 2014
Angst
Der Mensch in der modernen, westlichen Gesellschaft wird unabhängiger. Er verlässt sich
mehr auf sich selber und ist kritischer. Andererseits lebt er aber auch immer isolierter,
fühlt sich einsam und ist stark von Angst erfüllt. Zu dieser Einschätzung kam schon vor 50
Jahren der Psychologe Erich Fromm.
Die Angst gehört zu unserem Leben. Es gibt kein Leben ohne Angst, sie ist eine Farbe
unseres Lebens. Jörg Zink schreibt: "Nicht, dass wir die Angst unterdrücken sollen
hinter einem fröhlichen Gesicht. Nicht, dass wir der Angst zu widerstehen hätten mit allen
Kräften. Nicht, dass wir die Angst wegsuggerieren sollten mit ständig angespanntem Willen.
Die Angst gehört zu uns. Sie ist kein Feind, sondern ein Gast, den wir aufnehmen in dem
Glauben, dass der Hausherr stärker ist als er. Ein Gast, der wieder geht."
Das Bild von der Angst als Gast spricht mich an. Einen Gast, den ich kenne, nehme ich
gerne auf. Ich versuche, ihm oder ihr das Leben bei mir angenehm zu machen. Bei einem
Gast, der mir fremd ist, bin ich vorsichtiger und verhalte mich abwartender. Jeder von uns
kann diesen Gast zu Besuch bekommen und ist auf ihn vielleicht nicht vorbereitet. Oder ich
entdecke plötzlich, durch besondere Lebensumstände, dass der Gast schon lange bei mir
wohnt, ohne dass ich ihn bisher richtig kennen gelernt habe. Aber ich brauche auch vor
diesem Gast nicht Reissaus nehmen. Wenn er kommt und sich zu Wort meldet, kann ich ihm ein
Zimmer anbieten. Ich kann ihm erlauben, dass er Wohnung bei mir nimmt. Denn es gibt noch
andere Zimmer in mir, in meinem Haus, in denen wohnt ein anderer Gast. Vor diesem Gast
brauche ich mich nicht zu fürchten. Er stellt meine Füsse auf weiten Raum, vertreibt Enge
und Zweifel. Dieser andere Gast ist Gott, der mich stärkt und mir Vertrauen schenkt – in
mich selber, in die Welt. Mit Gott brauche ich vor der Angst nicht zu fliehen; ich muss
ihr auch nicht mehr aus dem Wege gehen. Vielmehr kann ich sie gelassen anschauen. Sie wird
gehen, wenn es an der Zeit ist, und ich kann mich getrost von diesem Gast verabschieden.
Er wird immer wieder kommen, aber er wird auch immer wieder gehen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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