Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 6. Mai 2019
1970
Unsere Nachbarin ruft. Mein Bruder und ich klettern über den Zaun, der unser kleines Haus
mit Garten von ihrem Haus mit Garten trennt. Die Nachbarin trägt genauso eine
Kittelschürze, wie meine Mutter sie trägt und sie fragt: „Würdet Ihr schnell für mich zum
Supermarkt gehen?“
Mein Bruder und ich nicken. Es war ganz normal, dass man für die Nachbarin ab und zu so
einen Dienst übernommen hat. Auch ihre Buben sind für unsere Mutter gerannt.
Wir bekamen einen Stoffbeutel in die Hand gedrückt, ein paar Münzen haben darin
geklimpert. Wir haben unserer Mutter Bescheid gesagt, schnell ein paar Sandalen
übergestreift und dann sind wir den kurzen Weg zum Laden geflitzt.
An der Fleischtheke gab es ein Wursträdchen für uns beide, nachdem der Metzger die Lyoner
in Papier gewickelt hatte.
Ich habe bewundert, wie die Verkäuferin aus Bogen mit Zeitungspapier eine Tüte gedreht und
gefaltet hat, in die dann der Kopfsalat kam. Auch die Kartoffeln kamen in so eine Tüte.
Dann hat sie uns den Kaffee für die Nachbarin gemahlen.
Beim Heimgehen haben mein Bruder und ich den Stoffbeutel mit der Wurst, dem Salat, den
Kartoffeln, dem gemahlenen Kaffee, den Filtern dazu und einer Milchflasche und den letzten
klimpernden Münzen zwischen uns getragen. Stolz haben wir den Einkauf abgeliefert.
Wie konnten sich so überflüssige Dinge wie Plastiktüten und Kaffeekapseln in dieses Leben
drängen?
2019
Prüfet alles und das Gute behaltet. Prüfet alles und trennt Euch vom Unnützen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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