Weg-Wort vom 22. November 2007
Grundfalsche Berechnungen
Es gibt in der Bibel eine Gleichniserzählung, in der wir einen Kornbauern
bei Überlegungen antreffen, die ihm ein sorgloses und freudvolles Leben
garantieren sollen. Der Bauer, wahrscheinlich ein Grossgrundbesitzer, kann
eine Rekordernte erwarten. Der Text lässt uns am Planen des reichen Mannes
teilnehmen. Wir lesen da:
Der Mann überlegte hin und her: Was soll ich machen? Ich habe keinen Raum,
meine Erträge unterzubringen. Und er sprach: Das will ich tun: Ich will
meine Speicher abreissen und grössere bauen... Dann kann ich zu mir sagen:
Du hast reichen Vorrat auf viele Jahre. Ruh dich aus, iss, trink, freue dich
deines Lebens (Lk 12,17-19)
Die Überlegungen des Bauern scheinen uns realistisch und nützlich. Er
betreibt eine sorgsame Vorratswirtschaft. Er will die Möglichkeiten voll
ausnützen. Und doch muss etwas grundfalsch sein in seinen Berechnungen und
in seinem Tun. Denn das Gleichnis nimmt mit scharfen Worten Stellung gegen
ihn:
Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben
von dir zurückfordern. Wem wird dann all das gehören, was du angehäuft hast?
So geht es jedem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber vor Gott
nicht reich ist.
Was macht dieser reiche Kornbauer falsch, dass ihn das Gleichnis einen Toren
schelten kann? Ist die Freude am Haben und Sammeln grundsätzlich falsch?
Diesem Mann fehlt die Hauptperspektive seines Lebens. Er handelt vielleicht
klug, aber nicht weise. Er verkennt die Flüchtigkeit und Vergänglichkeit des
menschlichen Lebens. Er wähnt sein Glück mit Reichtum gesichert und lässt
Gott, der über Leben und Tod verfügt, ausser Rechnung. Auch schaltet er all
die Menschen aus, die ihm zum Reichtum verhelfen. In seinen Überlegungen
geht es nur um sein Ich.
Das Gleichnis lädt uns ein, weise zu werden. Der Reichtum, der dem
Kornbauern wie eine verlässliche Garantie seines Lebens vorkommt, kann nicht
leisten, was er verspricht. Das Leben garantieren kann nur der, der es
geschenkt hat und dem es gehört. Und zugleich lädt uns das Gleichnis ein,
dafür besorgt zu sein, dass alle Menschen an der reichen Ernte unserer Erde
teilhaben können.
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Hauptbahnhof Zürich
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Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche