Weg-Wort vom 1. Juli 2009
Achtsam leben
Im Nachhinein wissen wir es meistens besser. Erst nach seinem Zusammenbruch
hatte er sich an verschiedene Anzeichen seines Körpers erinnert, die ihn
hätten warnen müssen. Aber er hatte ihnen keine Beachtung geschenkt, bis es
zu spät war.
Verschiedene Gespräche hatten ihn dann überzeugt, in Zukunft achtsamer auf
sein Körperempfinden zu sein. So setzte er sich täglich für fünf Minuten auf
einen Stuhl und tat nichts anderes, als mit geschlossenen Augen seinen
Körper wahrzunehmen: Da empfand er einen Druck, dort juckte es ihn, da war
eine leichte Verspannung und in seiner Mitte spürte er den Fluss seines
Atems... Er beobachtete nur ohne zu bewerten oder Schlüsse daraus zu
ziehen.
Nach einigen Monaten stellte er überrascht fest, dass er beim Beobachten
seines Körperempfindens auch eine versteckte Enttäuschung wahrnahm. Mit der
Zeit gesellten sich weitere Gefühle dazu wie Ängste, Wut, Trauer und auch
Freude. Er hatte begonnen, sein Inneres ganzheitlicher auch mit dem Herzen
wahrzunehmen.
Er entdeckte, wie sein Vertrauen in den eigenen Körper und in sein
Gefühlsempfinden stetig wuchs. Er hatte einen Zugang gefunden zum Grund und
zur Quelle seines Lebens. Das gab ihm Sicherheit und eine gesunde Basis für
sein Selbstvertrauen. Er wurde immer mehr inne, wer er eigentlich war.
Manchmal wenn er still da sass und in sich hinein spürte wurde es in ihm
ganz ruhig. Er empfand einen tiefen inneren Frieden, den er nicht mehr
missen mochte.
Und noch etwas überraschte ihn: Er war nicht nur achtsamer geworden auf sein
Inneres. Manchmal blieb er wie selbstverständlich stehen und lauschte dem
Gesang eines Vogels, betrachtete ein Blatt, das im Wind hin und her
schaukelte, oder spürte einfach die Sonne auf seiner Haut.
Was ihn aber besonders freute: Er war achtsamer geworden auf seine
Mitmenschen. Er konnte ihnen auf einmal länger wirklich zuhören und mit
ihnen mitfühlen. Seine Beziehungen wurden echter, tiefer und lebendiger.
In der Achtsamkeit öffnen wir uns der Kostbarkeit und Einzigartigkeit des
gegen-wärtigen Augenblicks. Sie bringt uns auf die Welt, ganz in die
Gegenwart, zum Leben und zur Wirklichkeit, wie sie sich im Augenblick
entfalten.
Wenn die Achtsamkeit etwas Schönes berührt, offenbart sie dessen Schönheit.
Wenn sie etwas Schmerzvolles berührt, wandelt sie es um und heilt es.
(Thich Nhat Hanh)
Wir wünschen Ihnen einen guten und gesegneten Tag!
Die Seelsorger und Seelsorgerinnen der Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Beat Schlauri, Susanne Wey
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