Weg-Wort vom 26. Oktober 2009
Im Strom des Lebens
In meinen jungen Jahren habe ich Wildwasser-Kanufahrten unternommen. Dabei
habe ich gelernt, dass ich immer etwas schneller sein muss als das Wasser,
um mein Boot lenken zu können. Ich musste zudem die Gegebenheiten des
Flusslaufes und die Kraft der Strömung einberechnen, um die richtige Route
anzusteuern.
Es brauchte Mut, mich auf die unberechenbare Strömung einzulassen, mich ihr
anzuvertrauen und darin gleichzeitig das Boot konzentriert und aktiv zu
lenken. Dabei konnte ich mich nicht einfach nur ein bisschen, sondern musste
mich ganz in die Strömung hinein begeben ohne jedes Zögern, entschieden
und kraftvoll.
Mit dem Fluss ist es ähnlich wie mit dem Leben. Sich auf das Leben
einzulassen ist ein Wagnis, das Mut und Risikobereitschaft erfordert. Eine
Beziehung zum Beispiel ist wie die Strömung nicht berechenbar. Ich weiss
nicht wirklich, worauf ich mich da einlasse. Was mich erwartet. Ob ich dabei
meine Ziele so erreiche, wie ich mir das vorstelle. Eine Beziehung ist und
bleibt wie das Leben immer auch ein Geheimnis.
Ich kann mich auch nicht nur ein bisschen ins Leben, in eine Beziehung
hinein begeben. Das funktioniert nicht. Es braucht mich ganz. Es braucht das
entschiedene mich Einlassen auf die Vertrauenswürdigkeit des anderen. Und
Vertrauen hat immer etwas mit dem Unberechenbaren, mit dem Geheimnis des
Lebens zu tun.
Wenn ich mich für den Strom des Lebens entscheide, liegt es an mir, mich
nicht einfach treiben zu lassen: Mich dem Leben ganz anvertrauen, erfordert
gleichzeitig meinen Einsatz, mein Steuerungsvermögen und meinen
Gestaltungswillen. Sonst komme ich irgendwohin, nur nicht dahin, wohin ich
eigentlich möchte.
Das gilt auch für jede Beziehung. Es ist irrig zu meinen, Paarbeziehung und
Kindererziehung funktionieren von selber, ohne Aus- und Weiterbildung.
Beides braucht unser engagiertes Mittun, unsere volle Lernbereitschaft und
unser entschiedenes Mit-Steuern. Sonst werden uns Stromschnellen,
Hindernisse und wilde, turbulente Zeiten schnell überfordern.
Mit dem Glauben ist es ähnlich. Ich kann mich nicht ein bisschen auf ihn
einlassen, nur ganz und dann schauen, ob er mich trägt, in stillen
Gewässern wie durch Wirrnisse und Stürme hindurch. Ich kann mich auch nicht
einfach vom Glauben treiben lassen. Ich muss ihn weiterentwickeln, vertiefen
allein, im Austausch mit anderen und im Gespräch mit Gott.
Wir wünschen Ihnen einen guten und gesegneten Tag!
Die Seelsorger und Seelsorgerinnen der Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Iris Daus, Susanne Wey
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Hauptbahnhof Zürich
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