Weg-Wort vom 10. Juni 2008
Sammeln
und lasse sie sammeln den ganzen Ertrag der guten Jahre, die kommen
werden, daß sie Getreide aufschütten in des Pharao Kornhäusern zum Vorrat in
den Städten und es ver-wahren. Gen. 41,35
Er solle Vorräte anlegen, riet Josef dem Pharao als dieser zweimal von den
fetten Kü-hen und den mageren Kühen geträumt hatte. Der Herrscher ernannte
darauf Josef zum Verwalter über die Ernten des Landes. So überstand Ägypten
dann die Hungerjahre. Sammeln und vorsorgen heisst auch Mass halten in
Zeiten der Fülle, um für ungewisse Zeiten gerüstet zu sein.
Beeren suchen, Nüsse einsammeln - seit Urzeiten tun wir Menschen das, um die
karge Jahreszeit zu überleben. Mit gefüllten Scheunen, mit Brennstoff im
Tank und bunt gefüllten Gläsern im Vorratsschrank kann man mit Zuversicht
dem Winter entgegensehen. Das Überleben scheint gesichert.
Meist sind die angelegten Vorräte viel grösser als der Verbrauch und man
hätte gut daran getan, etwas vom eigenen Überfluss weiter zu reichen. Diese
Einsicht kommt mir spätes-tens dann, wenn ich im folgenden Sommer leere
Gläser suche.
Was aber, wenn die Freude an der Fülle auf Waren übertragen wird.
Bierdeckel, Fingerhü-te, Puppen, Briefmarken, Fussballbildchen? Viele
Menschen sammeln mit Leidenschaft, was für andere nutzlos ist. Die
Begeisterung für ihre Sammlung nimmt von ihnen Besitz. Das Aufspüren und
Ergänzen wird zum Lebensinhalt, der sie oft über Jahrzehnte absorbiert.
Dann aber ziehen sich am Lebenshorizont die Wolken zusammen, wie bei einem
drohen-den Gewitter türmen sich die Fragen auf: Was geschieht einmal mit
meiner Sammlung? Wer interessiert sich noch dafür? Waren diese Dinge all
meine Opfer wert? Vielleicht fragt sich sogar jemand: Was bleibt einmal von
mir?
Dazu meint der 39. Psalm: Siehe, meine Tage sind eine Handbreit bei dir,
und mein Le-ben ist wie nichts vor dir. WIE GAR NICHTS SIND ALLE MENSCHEN,
DIE DOCH SO SICHER LEBEN! SELA. Sie gehen daher wie ein Schatten und machen
sich viel vergebli-che Unruhe; sie sammeln und wissen nicht, wer es
einbringen wird.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
www.bahnhofkirche.ch
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche