Weg-Wort vom 1. August 2006
Dazu gehören
Wir sind stolz auf unsere persönliche Unabhängigkeit und individuelle
Freiheit. In unserer individualisierten Gesellschaft ist es darum nicht
opportun, sich als zu einer Gruppe zugehörig zu bekennen. Wir wollen vor
allem Einzel-Individuen sein mit ihren je eigenen Interessen und Vorlieben.
Die vergangene Fussballweltmeisterschaft aber hat entgegen allen
individualisierenden Tendenzen auch ein starkes Gemeinschaftsgefühl zum
Vorschein gebracht:
Wie haben wir gemeinsam gejubelt, gebangt und gelitten! Wie haben wir uns
aufgehoben und wohl gefühlt im Kreis der Mitfiebernden und Mitjubelnden! Ja,
gerade das gemeinsame Erleben vor den unzähligen Grossleinwänden machte den
besonderen Reiz des Zuschauens aus.
Wir fühlten uns in unseren Emotionen unvermittelt zusammengehörig, auch mit
wildfremden Menschen. Auf einmal vermochten wir, etwas überraschend, ein
Wir-Gefühl auf eine lockere, unverkrampfte und fröhliche Art zu leben.
Wir wurden mitgerissen vom Engagement, von der Entschlossenheit, dem Mut und
dem jugendlich frechen Selbstbewusstsein einer ganzen Mannschaft, aber auch
vom unbedingten Einsatz jedes Einzelnen für den Andern und für das Ganze.
Unverhofft kam dabei eine Ahnung auf von einem Zusammengehörigkeitsgefühl,
das entsteht, wenn ein grosses Ziel, eine starke Herausforderung Menschen
eint.
Eine jugendlich freche, engagierte, entschlossene, mutige, offene,
solidarische Gesellschaft das wäre ein lohnendes Ziel und eine starke
Herausforderung für Politiker und Wirtschaftsführer genauso wie für uns
alle, jeden einzelnen.
Vielleicht wären wir überrascht, wie viele Menschen sich gerne und überzeugt
zu einem solchen Land zugehörig fühlen, sich mit ihm identifizieren würden.
Bequeme Sattheit und Staatsverdrossenheit, egoistisches Profit- und
Machtstreben würden von der Kraft eines neuen Zusammengehörigkeitsgefühls
zurückgedrängt. Denn das Bedürfnis, zu einer grösseren Gemeinschaft zu
gehören, stärkt den Gemeinschaftssinn, die Solidarität und auch den Willen,
einen eigenen Beitrag für das Wohl und Gelingen des Ganzen zu leisten.
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Hauptbahnhof Zürich
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