Weg-Wort vom 26. August 2009
Alleinsein
Die heutigen Kommunikationsmittel ermöglichen uns einen Zugang zur Vielfalt
unserer Welt wie nie zuvor. Für viele hat der Tag zu wenig Stunden, um all
dem nachgehen zu können, was sie über das alltäglich Notwendige hinaus noch
zusätzlich interessiert und engagiert. Andere hingegen fühlen sich beinahe
erdrückt vom übervollen Angebot der ihnen zur Verfügung stehenden
Möglichkeiten.
Bei allem geschäftigen Tun, das auch unsere Freizeit erfasst, besteht die
Gefahr, dass wir uns selbst abhanden kommen, dass wir uns verlieren im Meer
des Überangebots von dem, was auch noch interessant wäre. Wir finden kaum
mehr Zeit, uns mit uns selbst zu beschäftigen. Warum aber Menschen das
Alleinsein, um sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, vermeiden,
beschreibt Henri J.M. Nouwen:
Treten wir in das Alleinsein ein
erfahren wir bald, wie abhängig wir sind.
Fehlen uns die vielen Ablenkungen und Zerstreuungen unseres Alltags,
befallen uns Angst und Unruhe. Wenn niemand mehr mit uns spricht, uns anruft
oder nach uns verlangt, wir keine Termine mehr haben und keine Post
erhalten, beschleicht uns das Gefühl, ein Niemand zu sein.
Dann beginnen wir, uns zu fragen, ob wir eigentlich gebraucht werden,
wichtig sind und vermisst werden. Und am liebsten möchten wir dieses
beklemmende Alleinsein schnell wieder verlassen und zu unseren
Beschäftigungen und Zerstreuungen, zu unseren Arbeitskollegen und Freunden
zurückkehren, um uns zu vergewissern, dass wir jemand sind.
Aber hierin unterliegen wir einer Täuschung; denn nicht wie die Leute auf
uns reagieren, welchen Eindruck wir erwecken, macht uns zu jemandem,
sondern Gottes unvergängliche Liebe zu uns. Um unser wahres Ich zur Geltung
zu bringen, müssen wir uns im Alleinsein an Gott halten, an den, der allein
uns zu denen macht, die wir sind.
Alleinsein ist kein einfacher Aufenthaltsort. Wir begegnen da uns selbst:
unseren Sorgen und Ängsten, unserer Unsicherheit, unseren Mängeln, dem
Schmerz und unserem Versagen. Wenn wir dies alles zulassen und aushalten,
begegnen wir da aber auch unserer Lebensfreude, dem Glücksempfinden und
inneren Frieden, unserer seelischen Kraft und der Liebe.
Erst wer mit sich selbst allein sein kann, ist auch in der Lage, anderen zu
begegnen und mit ihnen zu sein.
Wir wünschen Ihnen einen guten und gesegneten Tag!
Die Seelsorger und Seelsorgerinnen der Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Beat Schlauri, Susanne Wey
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
www.bahnhofkirche.ch
info(a)bahnhofkirche.ch