Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich
Weg-Wort vom 5. Oktober 2021
Ein Riss
Mein Jupe ist etwas ausgebleicht und er hat einen «Schranz». Der Riss muss beim Velofahren
entstanden sein. Ich trag den Jupe trotzdem noch, ungeflickt. Ich kann nähen, habe eine
Nähmaschine, und es wäre keine Hexerei den Dreiangel zu flicken. Nur...
So ausgebleicht wie der Jupe ist und das im «zarten» Alter von 25 Jahren, da ist es
gerechtfertigt, einen Freizeit- und Abenteuerjupe daraus zu machen. Er darf auch noch
weitere Risse erhalten, bis er endgültig ausgestaubt wird.
Der Riss ist nicht kleidsam aber auch nicht sehr auffällig. Der Riss erzählt die
Geschichte des Kleidungsstücks, und wenn ich mit ihm unterwegs bin, trage ich auch die
Erlebnisse mit mir. Aus dem Zufallskauf von vor 25 Jahren wurde ein gewichtiger,
wertvoller Jupe.
Risse gibt es auch im Leben, in jedem Leben. Eine Krankheit, ein Todesfall oder
Gewalterfahrungen, Mobbing oder Krisen in Beziehungen oder Arbeitswelt. Einen besonderen
Riss hat Corona in unsere Welt gebracht und auch nach fast 2 Jahren ist es noch nicht
vorbei.
Was uns Risse lehren? Zum Beispiel: das Leben ist fragil. Die heile, rosarote Welt ist
eine Utopie. Risse lehren uns aber auch, dass das Leben Überraschungen bereithält. Wir
wachsen an den Erfahrungen auch wenn diese sehr schmerzhaft sind. Narben und Nähte
bleiben.
Mein Abenteuerjupe mahnt mich daran, dass ich von Rissen und Brüchen nicht verschont
bleiben werde, und dass ich bereit bin für neue Abenteuer.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
Bildquelle:
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