Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 18. Februar 2021
Nkosi sikelel' iAfrika
Nein, diesen Weg-Wort-Titel müssen Sie nicht verstehen - aber wissen Sie, was es mit
diesen Worten auf sich hat?
So beginnt die Nationalhymne Südafrikas. Sie ist eine der aussergewöhnlichsten
Landeshymnen, die es je gab. Textlich und musikalisch ist sie ein Unding, denn es wurden
hier zwei verschiedene Lieder zusammengestückelt: Die ehemalige Nationalhymne der weissen
Buren, die bis 1994 für den Apartheidsstaat galt, und das Widerstandslied des
afrikanischen ANC, der die Apartheid bekämpfte.
1997, nachdem die Apartheid aufgehoben worden war und der ANC unter Nelson Mandela die
Regierung bildete, wurden die beiden Hymnen vereint: Zuerst zwei Strofen des ANC Liedes,
je ein Teil davon in einer der drei verbreitetsten afrikanischen Sprachen isiXhosa,
isiZulu und Sesotho, dann zwei Strofen der alten Hymne, eine in Afrikaans, eine in
Englisch.
Normalerweise stehe ich Landeshymnen und ihrem verblichenen nationalistischen Pathos
kritisch gegenüber. Aber hier ist das anders. Hier ist ein hochaktuelles Kampflied, das
für Millionen von Menschen identitätsstiftend ist, zur Nationalhymne geworden. Und es
verbindet sich mit der Hymne des ehemaligen Feindes, mit einem Lied also, das dem
Selbstverständnis der weissen Bevölkerung Ausdruck verleiht.
Es ist eine ausserordentliche Versöhnungsleistung dieses Staates, die jeweilige Hymne des
Gegners so zu würdigen. Es bedeutet nämlich nichts anderes, als dass bei jeder grösseren
nationalen Veranstaltung alle Menschen einen Teil des Kampfliedes der früheren Feinde
singen, und dies in deren Sprache. Sie müssen ein Stück weit in die Identität der anderen
eintauchen.
Nkosi sikelel' iAfrika war übrigens ursprünglich ein Kirchenlied. Übersetzt heisst es
«Herr, segne Afrika». Es wurde 1897 gedichtet und erst 1925 vom ANC als Parteihymne
übernommen.
Das war einer jener Momente, in denen das politische Potential christlichen Glaubens zur
Geltung kam. Nämlich des Glaubens, dass Gottes Segen nicht nur den Privilegierten gelten
kann, sondern allen, dem ganzen Kontinent gelten muss: Herr, segne Afrika!
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
Abb: Nationalhymne Südafrikas, Freedom Park, Salvokop, Pretoria, Südafrika, 2013. Foto:
Leo za1. Wikimedia Commons.
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