Weg-Wort vom 15. September 2011
Wie gehts so mit der Vergebung?
Ein starkes Wort - ein gewichtiger Inhalt. Er gehört zum Grundbestand
christlichen Glaubens und Lebens. Es ist aber gar nicht so einfach mit dem
Vergeben? Was kann da der Grund sein? Liegt es vielleicht daran, dass
solche, die Unrecht tun, das gar nicht merken? Wenn einer sich seiner Schuld
überhaupt nicht bewusst ist, wie soll ihm da vergeben werden können? Da
mobbt einer, lässt sich einspannen in Kleinkriege und weiss nichts von
seinen eigenen Konfliktanteilen. "Was? Ich? Ich hab doch gar nichts
gemacht?" "Das haben Sie völlig falsch verstanden." - Wie soll ich einem
vergeben können, der "Nichts" getan hat, der sich keiner Schuld bewusst
ist?.
Über 20 Jahre trägt er seine Wut schon mit sich herum. Er verzweifelt, dass
er nicht vergeben kann. Doch wem soll er schon vergeben, wenn der Mensch,
der den Tod seiner Tochter verantwortet, weder Reue noch ein Anzeichen von
Schuld zeigt. Wem soll man vergeben, wenn es nur Unschuldige gibt? Manchmal
ist es zum Verzweifeln - und dann tut die Wut ganz gut. Und das mit der
Vergebung kann man für eine Weile vergessen. Wenn ich schon nicht vergeben
kann, dann brauche ich auch keine Rache.
Mein Fazit: Nicht immer liegt es an uns, wenn wir nicht vergeben können,
manchmal ist die Schuldeinsicht so gering, dass auch wirklich nichts zum
Vergeben übrig bleibt.
Für diese Einsicht bin ich dankbar. Ich habe nämlich schon oft an mir
gezweifelt und gedacht, was für ein harter Mensch bist du, dass du nicht so
leicht verzeihen und vergeben kannst. Und so haben die Worte Jesu am Kreuz
für mich eine ganz neue Bedeutung gewonnen: "Gott, vergib ihnen, denn sie
wissen nicht, was sie tun?"
Ich selber kann nicht vergeben, aber Gott darum bitten, dass er es tut, was
ich nicht kann, das wiederum kann ich sehr wohl. Es entlastet.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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