Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 8. Oktober 2014
Nadine Nasrallah und Michal Kayam
Boreg - eine Schraube, Self made - ein Film. Die Israelin Michal Kayam und
die Palästinenserin Nadine Nasrallah stehen im Zentrum. Da die gefeierte und
berühmte, israelische Künstlerin, die ihre Schöpfungen an der Biennale in
Venedig ausstellt und dort die palästinensische Fliessbandarbeiterin, die
Tag für Tag am Morgen durch die Schleusen der Checkpoints fast tanzt, ihre
Musik hört und in der israelischen Version von Ikea Schrauben verpackt und
am Abend wieder zurück in ihr Dorf geht. Kopfhörer auf. Es ist das einzige,
das ihr Leben einhaucht. Am Checkpoint treffen sie aufeinander und werden
verwechselt. Es tauschen sich ihre Identitäten und niemand merkt etwas.
Nicht der Ehemann, nicht der Freund, nicht die Interviewenden, alle sind
fixiert auf ihr eigenes Leben, auf sich selbst, dass nichts anderes mehr
Platz zu haben scheint. Nur Platz für das eigene ist da.
Es merkt auch niemand, dass sich die beiden wie wandelnde Leichen durch den
Film bewegen. Beide so ähnlich und doch grundverschieden. Ihre Geschichten
sind so ineinander verzahnt, dass sich in ihnen auf surreale Art der
alltägliche Irrsinn israelisch-palästinensischen Lebens spiegelt.
Der Film hat mich bewegt, hat sich einen Weg in mich hinein gesucht und
gefunden. War es deshalb, weil ich mich seit Jahren immer wieder in dieser
Gegend, in Israel und in Palästina, aufhalte? Oder vielleicht darum, weil
die einen Mauern zwar sichtbar sind und wohl auch Schutz signalisieren,
obgleich ihre Fundamente aus Angst gebaut sind; die andern unsichtbar sind,
nicht nur zwischen Israeli und Palästinensern, sondern weit herum
verbreitet. Diese sind viel schwieriger abzureissen als die sichtbaren
Gitter und Betonwände. Mauern in uns verdunkeln den Blick so, dass wir im
andern nichts als uns selber sehen, unsere Arbeit und unser Interesse,
unsern Vorteil und unser Ego.
Betonmauern haben ein Verfalldatum. Sie sind aussen und darum gut zu sehen,
Wann fallen unsere inneren?: Eine alte jüdische Legende beschreibt das nicht
mit dem Bild der Mauer, sondern mit dem der aufgehenden Sonne: Ein Rabbi
fragt seine Schüler, wann die Nacht aufhöre und der Tag beginne. Sie kommen
nicht drauf. Wir wissen die Antwort. Wir wissen sie aussen, wissen wir sie
auch innen? Für uns alle antwortet der Rabbi einmal mehr: Die Nacht hört
auf, wenn du in ein menschliches Gesicht schaust, und es wird heller Tag,
wenn du in diesem Gesicht deinen Bruder, deine Schwester erkennst.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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