Weg-Wort vom 17. November 2006
Die Leere aushalten
Ich sitze einfach da, lustlos, ohne Kraft obwohl so vieles zu erledigen
wäre. Ich fühle mich irgendwie leer, unausgefüllt. Nichts hilft wirklich. Es
fällt mir schwer, diesen Leere-Zustand auszuhalten. Am liebsten möchte ich
ihn sofort füllen. Egal mit was. Hauptsache, das Leere-Gefühl ist weg.
Es gibt manchmal solche Tage, an denen nichts hilft. Aber das ist auch gut
so! Sofern wir den Mut haben, sie auszuhalten, die Leere nicht zu
verdrängen, sie nicht mit Trost, mit Selbstmitleid, mit künstlicher
Sinngebung oder mit allerlei Rechtfertigungen und Schuldzuweisungen zu
füllen. Einfach da sitzen. Die Leere in mir betrachten. Das Unverständliche,
das Sinnlose aushalten.
Vielleicht ist nichts so spannend,
wie die Gestaltung der leeren Momente,
der freien Plätze, der unverstellten Räume,
der unbewohnten Gegenden deines Lebens.
Fülle sie nicht mit dem, was andere dir anbieten,
nicht mit dem Überfluss der Welt,
nicht mit den Spielzeugen, die dich ablenken,
nicht mit den Dingen, die dich arm machen,
oder mit Gedanken, die dich gefangen setzen,
nicht mit dem bunten Abfall, der dich entwürdigt.
Gib der Kleinlichkeit nicht nach.
Nimm wahr, dass du auch aus Löchern bestehst,
die nicht gestopft werden müssen,
die aber mit Bedeutungen gefüllt werden können.
Weite ist deine Berufung.
(Ulrich Schaffer)
Es ist befreiend, zu erleben, dass nicht alles seine Ordnung, seinen Sinn
haben muss in meinem Leben. Ich darf und soll auch mal bedeutungslos,
sinn-los sein und nur noch sein, mich selber sein, ganz bei mir sein:
Die Weite meines Wesens spüren. Und die unverstellten Räume meiner Seele.
Die freien Kräfte für neue Möglichkeiten. Und die Quelle meiner ungeahnten
Lebendigkeit.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
www.bahnhofkirche.ch
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Hans-Ruedi Rüfenacht
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche