Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 30. Mai 2017
Vergebung
«Das Geheimnis, warum ich das die ganzen Jahre durch bestehen konnte, ist eben das, dass
ich ihm in der Sekunde schon alles verziehen habe.
Ich denke, wenn ich ihm das nicht verziehen hätte, dann wäre ich selbst so voll Hass und
negativer Gefühle gewesen, dass es wahrscheinlich überhaupt nicht auszuhalten gewesen wäre
und ich wär wahrscheinlich auch physisch zugrunde gegangen.»
Diese Sätze stammen von Natascha Kampusch. Sie wurde als zehnjähriges Mädchen von einem
Mann entführt und mehr als acht Jahre gefangen gehalten. Kampusch war ihrem Entführer
völlig ausgeliefert: eine unvorstellbare Extremsituation.
Es ist beeindruckend und berührend zugleich, wie Natascha Kampusch vier Jahre nach ihrer
Befreiung über die Zeit der Gefangenschaft erzählt. Die Entscheidung ihrem Peiniger
unmittelbar zu verzeihen hat ihr – so wie sie es beschreibt – das Leben gerettet, denn sie
hat sich dadurch einen Raum bewahrt, über den ihr Entführer nicht bestimmen konnte. Sie
hat äusserlich alle Selbstbestimmung verloren. Sie wurde körperlich aufs Übelste gequält.
Trotzdem war sie bereit zu verzeihen. Dadurch hat sie ihre Würde behalten und sich nicht
auf die gleiche Ebene begeben wie ihr Entführer.
Es ist eine ausserordentliche Gabe, wenn man in einer solchen Situation verzeihen kann.
Natascha Kampusch hat sich dadurch den Handlungsspielraum bewahrt, der für ihr Überleben
notwendig war.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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