Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 22. Oktober 2020
Gott tun
Im Jahr 1981 veröffentlichte der Berner Dichterpfarrer Kurt Marti einen schmalen Band mit
Notizen den er mit dem Titel "Zärtlichkeit und Schmerz" überschrieb. Der
allerletzte Eintrag darin fasziniert und beschäftigt mich seit dem ersten Lesen während
meines Studiums bis heute. Er ist überschrieben mit "Wunsch" und lautet:
"Dass Gott ein Tätigkeitswort werde."
Was für ein eigenartiger Halbsatz! Zuerst hat er mich irritiert, verwirrt, und dann lange
Zeit nachdenklich gemacht. Irgendwann begriff ich: Die vier Buchstaben "Gott"
sind ein Etikett. Jeder Mensch verwendet es auf seine Weise und klebt es auf die eigenen
Vorstellungen. Manche malen ein Zerrbild, versehen es mit diesem Etikett und können es
dann nach Belieben ins Lächerliche ziehen. Andere befestigen das Etikett auf
Vorstellungen, die sie vor Unsicherheiten bewahren, der eigenen Verantwortung entledigen
oder sie ins Recht und andere ins Unrecht setzen sollen.
Wohltuend und herausfordernd zugleich bildet der Gedankensplitter von Kurt Marti gegenüber
den Versuchen, Gott zu einem Objekt zu machen, einen Gegenpol. Unter der neuen Betrachtung
ereignet sich Gott. Er will getan werden. Dies erscheint mir biblisch und jesuanisch. Auf
die Frage nach dem grössten Gebot antwortet Jesus mit der Gleichheit von Gottes- und
Nächstenliebe und erzählt die Geschichte vom barmherzigen Samariter. "Gott ist
Liebe", betont der erste Johannesbrief. Im Sinne des Dichterpfarrers können wir es
nun noch klarer ausdrücken: Gott ist lieben. Stellen Sie sich vor, wie sich die Welt
veränderte, wenn die Menschen begännen, aus ganzem Herzen Gott zu tun.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Der barmherzige Samariter fotografiert von falco auf Pixabay
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