Weg-Wort vom 10. April 2009
Opfertod
Unzählige Male ist es gemalt, geschnitzt, in Bronze gegossen und in Stein
gehauen worden: das Bild des gefolterten, am Kreuz verendeten Jesus von
Nazareth.
Es fällt uns schwer, hinzugucken, wo ein Mensch so entsetzlich leidet; es an
uns heranzulassen, was wir da sehen; zu glauben, dass es uns zum Heil
geschieht. Opfer dieser Begriff ist für uns mit so viel Grauen besetzt,
dass wir ihn im Zentrum unseres Glaubens kaum ertragen können.
Doch dazu sind wir am Karfreitag aufgerufen, dass wir auf den Gekreuzigten
schauen und es aufnehmen in unser Herz, was wir sehen: Den Menschen, an dem
alle menschliche Rohheit und Gewaltlust sich ausgetobt haben. Alle haben
sich gegen diesen Einen verschworen, auch Gott, so sieht es aus! Und ist es
nicht das, was uns beim Anblick des Kreuzes am meisten verstört: diese
schreckliche Verlassenheit des Einen, der zum Opfer der vielen geworden ist?
Wir werden gebraucht in einer Welt, die sich zwar scheinbar um die Opfer
sorgt, so sehr sorgt, dass sie den Gekreuzigten gar nicht mehr anschauen mag
die aber zugleich den Wettstreit aller gegen alle immer mehr anstachelt.
Eine Welt, die immer noch aufgeteilt ist in solche, die urteilen und andere,
die beurteilt werden, in solche, die es schaffen und die, die es nicht
schaffen die Opfer, für die es vielleicht Mitleid, aber keine Achtung
gibt.
Um des Opfertods Christi willen sind wir herausgefordert, bei dieser
Aufteilung nicht mitzumachen. Nicht nach Opfern zu suchen, - auch nicht, um
sie zu bedauern -, sondern ihrem Opfer-Sein ein Ende zu machen. Bei ihnen zu
stehen, mit ihnen zu gehen, weil sie Menschen voller Würde und Lebenskraft
sind wie wir. Um des Opfertodes Christi willen gibt es niemanden, den wir
beneiden oder besiegen müssten, weil er höher stünde als wir, und niemanden,
den wir verachten oder bevormunden müssten, weil er schwächer wäre als wir.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
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