Weg-Wort vom 28. August 2012
Unterwegs
Als meine Frau und ich nach einer Tagesetappe vor dem Kloster Fischingen auf
den Bus warteten, warteten viele andere mit uns. Von faulen Sprüchen über
die 2300km nach Santiago de Compostela bis zu ernsthaften Geprächsfetzen war
alles drin. Auch die Frage: "Warst Du schon mal auf dem Weg?" Gar nicht
spöttisch, kam die Antwort, dafür wie aus der Pistole geschossen:
"Nein, aber das ist ein Lebenstraum."
Unterwegs sein mit einem klaren Ziel vor Augen. Das ist die Sehnsucht
unserer Zeit. Unterwegs sind wir ja, oft mehr als nötig, manchmal hektisch,
manchmal getrieben, herumgeworfen. Wer nicht beweglich ist, ist out und uns
wird das so oft mitgeteilt, dass es zu einem Muss geworden ist, mobil,
beweglich, überhaupt anpassungsfähig zu sein und damit leicht auszunützen.
Wer keinen Stand hat, der ist wie eine Feder im Wind.
Das klare Ziel fehlt, der Weg verschwimmt vor den Augen. Und sich selbst zu
verlieren, das geschieht dann ganz schnell.
Pilgern verlangsamt das Leben. Es ist der bewusste Weg, dass Mobilität
allein nur eine Dummheit ist. Jeder Schritt verlangt ein Bein, das auf
festem Grund steht, und jeder Schritt verlangt ein Bein, das sich bewegt und
neuen festen Grund sucht, damit sich das andere bewegen kann. Langsam und
sicher. Zuviel Beweglichkeit lässt abstürzen oder es macht eben ziel- und
orientierungslos.
Darum ist die Sehnsucht nach dem Weg nach Compostela so gross. Er ist nicht
einfach, aber langsam, und das Ziel, auch wenn es in weiter Ferne liegt,
erreichbar und konkret und es wird deutlich, dass man sich verpasst, wenn
man ihn zu schnell gehen will. Möge es uns geschenkt sein, dass wir uns in
unserm Leben nicht verpassen, sondern finden - langsam, Schritt für Schritt.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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