Das Weg-Wort Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom
Die krumme Sonnenblume
Sie war krumm gewachsen, die Sonnenblume auf einem Feld mit Blumen zum
selber Schneiden. Niemand wollte sie kaufen. Die passt doch in keine Vase
und schon gar nicht in einen Strauss mit andern aufrecht gewachsenen
Sonnenblumen, dachten sich wohl viele, die achtlos an dieser Kreatur
vorbeigingen. An einem Morgen kam eine Floristin. Sie suchte Blumen für den
Kirchenschmuck und hatte bereits einen Strauss von Sonnenblumen für ein
schönes Gesteck in der Kirche beisammen. Da sah sie die krumme Sonnenblume.
Es war Liebe auf den ersten Blick. Eine Sonnenblume, die zwar anders ist als
die andern, aber auf ihre Art ein Prachtstück.
So ging die Frau mit den neun schnurgeraden Sonnenblumen und der einen mit
ihrer krummen Lebenslinie. Es war leicht aus den aufrecht gewachsenen Blumen
einen Strauss zu binden. Eine war wie die andere. Aber die eine Sonnenblume
mit ihrem krummen Stiel wollte sich nicht einfügen. Die Blumenfrau suchte
eine Vase nur für diese eine. Und siehe da, wie die Sonnenblume originell
wirkte und fast waagrecht zur Vase ihren Kopf herausstreckte. Sie bekam
einen Ehrenplatz vor dem Altar. Fast konnte man meinen, sie krümme sich vor
Freude. So wars für die Gemeinde eine anschauliche, wortlose Predigt. Ein
Strauss von Sonnenblumen schön beieinander und daneben eine einzelne mit
ihrer eigenartigen Schönheit. Am Nachmittag bei der Beerdigung eines Mannes,
in dessen Leben einiges krumm gelaufen war, wars ein tröstlicher Anblick:
Auch du bist wertvoll in deiner Art, auch du hast einen Ehrenplatz im Reiche
Gottes. Gott kann auch auf krummen Linien schön schreiben.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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