Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 21. September 2020
gut - besser - am besten
Die Violine ist ein wundervoller Klangkörper. An einem guten Instrument arbeitet ein
Geigenbauer mehrere Monate lang. Durch seine jahrelange Erfahrung kann er Materialien
optimal auswählen, sie aufeinander abstimmen und dabei auch die klanglichen Wünsche des
späteren Besitzers erfüllen.
Als Meister des Fachs gilt Antonio Stradivari. Mit ihm stand der Geigenbau um 1700 auf
einem bis heute unerreichten Höhepunkt. Seine Instrumente werden immer noch gespielt und
wechseln für Millionenbeträge den Besitzer. Sie wurden allerdings mehrfach umgebaut, weil
man für die immer größer werdenden Konzertsäle lauter spielen muss. Statt der weichen
Darmsaiten zieht man Stahlsaiten auf. Damit die Instrumente den höheren Druck aushalten,
muss auch ihr Inneres verstärkt werden. Der Gewinn an Lautstärke bringt aber einen Verlust
an Klangfarben und Obertonreichtum mit sich. Ein Musikinstrument lässt sich nicht beliebig
perfektionieren. Wenn man eine Eigenschaft stärkt, gehen andere dafür verloren.
In der Schöpfungsgeschichte ganz am Anfang der Bibel betrachtet Gott am Ende des sechsten
Tage alles, was er gemacht hatte: «Es war sehr gut.» Wenn ich mir die Welt anschaue,
zweifle ich manchmal an dieser Aussage. Aber mit dem vergleichenden Seitenblick auf den
Geigenbau kann ich das eher akzeptieren. Wer weiss, welche Nachteile ich in Kauf nehmen
müsste, wenn ich versuchen sollte, das Werk des Schöpfers nach meinem Geschmack zu
verbessern.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
«Lady Blunt», eine Stradivari-Geige, die kaum verändert wurde. ©wikimedia
© Ökumenische Bahnhofkirche im Hauptbahnhof Zürich
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