Weg-Wort vom 18. Februar 2008
Spiritualität des Alltags
Spiritualität ist die Erfahrungs- und Erlebnisdimension des Glaubens. Sie
ist eine das Alltagsleben durchdringende Kraft, das Beseelt- und
Getragensein von Gottes Geist. In ihr sind Seele und Körper, Heiliges und
Profanes, Geistliches und Weltliches vereint.
Spirituelle Menschen leben ihren Alltag aus dem Glauben heraus als von
Gottes Geist inspirierte Menschen. Ihr Weg nach innen, in die Tiefe ihres
Wesens, ist immer zugleich ein Weg in die Lebenswirklichkeit ihres Daseins.
Denn dieser Weg konfrontiert mich mit mir selbst. Er hilft mir, wahrzunehmen
was ist. Auf diesem Weg begegne ich dem Schönen und dem Widerwärtigen, dem
Kraftvollen und dem Bedrohten. Ich erfahre Momente des Glücks, des
Aufgehobenseins, der Verbundenheit mit dem Sein und erlebe das Verwundete,
Unwirtliche und Unerlöste in mir. Spiritualität ist darum immer auch eine
Begegnung mit meinem Begrenztsein und meiner Unvollkommenheit.
Spiritualität verhilft mir zu meiner wahren Identität. Ich wachse und reife
in dem Masse, wie ich lerne, alles was in mir da ist, anzunehmen das
Schöne und Kraftvolle wie das Dunkle und Destruktive.
Wenn alles sein darf, was in mir ist, finde ich mein inneres Gleichgewicht,
werde ich ein ausgeglichener Mensch, erfahre ich mich im Einklang mit mir
selbst. Dann wächst jene Lebenskraft in mir, die mit anderen mitfühlt, die
das Schöne wie das Unvollkommene auch in den anderen wahrnimmt und bejaht.
Spirituelle Menschen wachsen in eine engagierte Gelassenheit hinein was
nicht cool-Sein bedeutet, sondern sensibel, einfühlsam und achtsam für alles
Lebendige rings um sich. Ihr Engagement lebt nicht von Machtfantasien oder
der Angst vor Liebesentzug, sondern vom Hineinwachsen ins Urvertrauen. Sie
erfahren und gestalten ihr Leben als von Gott geschenkt.
Als ausgeglichene Menschen lernen wir, die Spannung zwischen Engagement und
Gelassenheit tagtäglich auszuhalten. Dies gelingt uns, indem wir immer
wieder Distanz zu den Ereignissen schaffen. Indem wir den inneren Raum in
uns betreten, zu dem niemand Zutritt hat, wo keine Erwartungen und Ansprüche
uns erreichen, wo wir einfach sein dürfen.
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Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
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