Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 20. April 2020
Eine betagte Frau blickt auf ihr Leben zurück. Nach der Ausbildung zur Krankenschwester
trat sie eine Stelle in einer Höhenklinik an. Dort verliebte sie sich in einen
tuberkulosekranken Patienten. Bald verlobten sich die beiden. Die Frau freute sich auf das
Leben als Mutter und Hausfrau, das sich nun verheissungsvoll vor ihr auftat. Während eines
längeren Urlaubs besuchte sie ihre Familie in einem anderen Teil der Schweiz. Als sie in
die Klinik zurückkehrte, erfuhr sie, dass ihr Geliebter unerwartet an seiner TB verstorben
war. Von einem Moment auf den anderen war das scheinbar fest gefügte Zukunftsgebäude
eingestürzt.
Nach einem intensiven Prozesse der Neuorientierung entschied sich die Frau, in Zukunft
ihre Energie ganz und gar auf den Beruf zu richten. Bis zu ihrer Pensionierung war sie
dann mit Leib und Seele Pflegefachfrau – beliebt und erfolgreich. Ehe und Familie waren
kein Thema mehr.
Obwohl sie ganz ergriffen vom Tod ihres Geliebten erzählt, kann sie ohne jeden Zweifel
sagen, ihr Leben sei reich und erfüllt gewesen. Sie wünscht sich nicht, dass es anders
gekommen wäre! Als gläubiger Mensch sagt sie auch, Gott habe sie durch dieses Leben
begleitet. Gerade in jener schweren Zeit des Verlustes. Aber so könne sie das erst jetzt,
mit Abstand zu den Ereignissen sagen. Damals hätte sie eine solche Sicht keinesfalls
akzeptiert.
Sie deutet ihr Leben im Horizont des Glaubens. Natürlich kann man es auch ganz anders
interpretieren. Glaubensaussagen sind immer angreifbar. Ihr gibt der Glaube Beheimatung:
Was ihr widerfahren ist, ist kein beliebiges Irgendwie in einer kalten Weltallleere,
sondern ist eingebettet in eine Beziehung: Zwischen einem «ewigen Du» und ihr.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
Bild: Bahnhofkirche
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