Weg-Wort vom 16. Juli 2008
Das Angebot neuer Lebensräume
Wir alle kennen wahrscheinlich Erfahrungen in unserem Leben, die uns
verändern, die manchmal auch schmerzlich sind und uns eine Wandlung zumuten.
Eine solche Erfahrung machte die biblische Gestalt der Marta in einer
Begegnung mit Jesus. Dieser ist auf seinen Wander- und Predigtwegen öfters
bei Marta und ihrer Schwester Maria eingekehrt. Dabei hat Marta immer wieder
alles aufgeboten, damit sich der Gast in ihrem Haus erholen konnte.
Eines Tages aber hat Jesus ihre Arbeit gar nicht geschätzt. Er hat sie sogar
abgewertet. Ihre Schwester Maria, die nach ihrer Meinung untätig und bequem
zu seinen Füssen gesessen hatte, hat er in Schutz genommen und gesagt:
Marta, Marta, du machst dir Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig,
Maria hat den guten Teil erwählt, der ihr nicht genommen werden kann (Lk
10,41-42).
Hat Jesus hier die Hausfrauenarbeit der Marta kritisiert? Hat er nicht daran
gedacht, was ein Haushalt alles mit sich bringt? Wir wissen es nicht. Jesus
wollte Marta zum Nachdenken über sich und ihr Menschsein einladen. Er wollte
ihr einen neuen Lebensraum öffnen. Marta soll ungenutzte Möglichkeiten ihres
Menschseins entdecken und leben lernen. Und vor allem soll sie das Hören
auf Gottes Wort lernen.
Marta hat Jesu Angebot angenommen. Sie ist nicht nur die kraftvolle,
gastfreundliche Hausfrau geblieben, sondern wurde auch eine glaubensstarke
Frau. Der Evangelist Johannes überliefert von ihr ein Christusbekenntnis,
das ohne weiteres mit dem des Petrus verglichen werden kann, das aber leider
in der christlichen Tradition vergessen wurde. Marta erkannte und bekannte:
Du bist Christus, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist (Joh
11,27).
Marie-Luise Langwald, eine geistliche Schriftstellerin der Gegenwart, lässt
Marta in einer Meditation sagen:
Spät habe ich die andere Marta kennengelernt,
die Marta, die mit dir ringt und mit dir redet.
Ich habe die andere Marta kennengelernt,
die dich erkennt und dich bekennt.
Erfahren wir den Glauben als einen Weg, der uns in den Prozessen unserer
Menschwerdung hilft? Auch uns möchte die Begegnung mit Jesus neue
Lebensräume aufschliessen.
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Hauptbahnhof Zürich
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Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche