Weg-Wort vom 2. Juni 2006
... der Seele Raum geben
und weitergehen
Unter diesem Motto wurde die ökumenische Bahnhofkirche Zürich an Pfingsten
vor 5 Jahren eröffnet. Die Kirchen wollten da präsent sein, wo die Menschen
sind, an ihrem Weg zur Arbeit, zu alltäglichen Besorgungen und in die
Freizeit. Sie wollten dazu einladen, mitten im geschäftigen Alltag der Seele
Raum zu geben. Mit der Präsenz mitten im Leben weisen sie aber auch über den
Alltag hinaus, auf den Geist Gottes, auf seine lebendig machende Gegenwart
unter uns.
Die Geschichte vom Turmbau zu Babel verweist auf den Geist der
Selbstbezogenheit und Sprachlosigkeit unter Menschen (Gen 11,1-8). Wie oft
verstehen wir einander nicht, weil jeder nur seine Ideen im Kopf hat. Weil
wir uns gar nicht erst bemühen, den anderen wirklich wahrzunehmen. Weil wir
andere ablehnen und unsere eigenen Interessen durchsetzen wollen.
Die Geschichte von Pfingsten (Apg 2) hingegen verweist auf den Geist, der
aus dem Gefängnis der Sprachlosigkeit, der Einsamkeit und Selbstsucht
befreit, der gegenseitiges Verständnis schafft und Gemeinschaft stiftet. Wer
das tiefeVerstehen unter Menschen, wer die heilende Geborgenheit und Kraft
der Gemeinschaft erfahren hat, der weiss, was der Satz des Apostels Paulus
meint: Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit (2 Kor 3,17).
Es ist der Geist, der lebendig macht, der Neues schafft, der gemeinsame
Projekte wachsen und Familien zu einander finden lässt, der zur Wahrheit
unter einander ermutigt und Kraft zur Liebe gibt. Es ist der Geist, der
weht, wo er will (Joh 3,8).
In der Pfingstgeschichte lässt sich der Heilige Geist in Feuerzungen auf die
Jünger nieder. Darum ist das Feuer, die Glut ein Bild für den Geist Gottes.
Wenn wir von jemand sagen, in ihm brenne ein Feuer, dann meinen wir: er ist
lebendig, voller Kraft, aus seinen Augen funkelt es, er hat eine
Ausstrahlung. Spüren wir nicht auch diese tiefe Sehnsucht in uns, wirklich
lebendig zu sein, wirklich lieben zu können?
Vielleicht kommen wir immer wieder neu in Berührung mit der tiefen
Lebendigkeit, wenn wir unserer Seele, auch mitten im Alltag, vermehrt Raum
geben. Wenn wir dem Geist in uns Raum geben, der von Gott kommt und doch in
uns ist - der uns zu einem lebendigen, kraftvollen Weitergehen befähigt und
uns ermutigt, ihm in unserer Welt Raum zu geben.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
www.bahnhofkirche.ch
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Hans-Ruedi Rüfenacht
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche